Dienstwagenaffäre, SPD, Gesundheitspolitik, Obama & Iran

Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen. . . Das Stück hat alles von einem Hit im Sommertheater, auch wenn die Hauptdarstellerin nicht Eliza, sondern Ulla heißt. Thüringer Allgemeine

Frau Schmidt und ihr Chauffeur Süddeutsche Zeitung

Eigentlich ist das ja nur ein Mini-Skandal. Die Ministerin hat Steuergeld vergeudet, weil sie in der S-Klasse samt Fahrer gerne Termine besucht. Außerordentlich ärgerlich, aber keine wirklich große Sache. Der Wahlkampf macht das Ganze allerdings prekär. Die Bluthunde geben brav Spurlaut: Skandal, Rückzahlung, Amtsmissbrauch und so weiter und so fort. Mitteldeutsche Zeitung

Eine SPD-Ministerin, die sich in Sonntagsreden für die Armen und Schwachen einsetzt, lässt sich im Urlaub im gepanzerten S-Klasse-Fahrzeug herumkutschieren. Ferner vom Volk geht es kaum. Der Vorwurf verfängt deswegen, weil die SPD ohnehin ein Gerechtigkeitsproblem hat. Seit der damalige Kanzler Gerhard Schröder die Hartz-Reformen durchpeitschte, nehmen die Wähler der Partei ihren Einsatz für die Schwachen nur noch unter Vorbehalt ab. Financial Times Deutschland (Print)

Zwischen dem Vorfahren im kleinen Seat und dem dicken Mercedes mit Berliner Chauffeur muss es eine Möglichkeit geben, die Steuergelder schont. Überhaupt wundert man sich über (Pseudo?-)Diensttermine während der sicher notwendigen Erholung. Wagen weg, Ärger da – dumm gelaufen, Frau Schmidt! Westfalenpost

Ärztelobby-Funktionäre wie der Chef der Freien Ärzteschaft wittern die Chance, sich an der streitbaren Frau Schmidt ein wenig zu rächen…Was voraussetzte, dass Minister ihre teils gepanzerten Fahrzeuge samt Fahrer privat gar nicht nutzen dürfen. Falsch: Die „Richtlinie für die Nutzung von Dienstkraftfahrzeugen in der Bundesverwaltung”, kurz DKfzR, verbietet die Privatnutzung nicht. Sie macht sie nur teurer. WAZ

SPD

Es gibt kaum Bewegung in den Meinungsumfragen, und wenn, dann zum Nachteil des Herausforderers. Dieser wiederum ist, anders als Schröder es war, in der Politik und in seinem Verein, für eine solche Situation zu wenig Stürmer; Steinmeier spielt Mittelfeld, wie damals schon beim Turn- und Sportverein Brakelsiek. Es fällt ihm schwer, auf Angriff umzuschalten gegen eine Kanzlerin, der er politisch in vielem zu ähnlich ist; sie verbringen ja sogar beide ihren Urlaub in Südtirol, wenn auch hintereinander. Tagesspiegel

Ob die Forderung nach einer Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer die Wählermassen in die Arme der SPD treiben wird, lässt sich bezweifeln. Man kann sich für die Bundestagswahl spannendere und wichtigere Themen vorstellen. FAZ (Print)

Arbeitsminister Olaf Scholz fordert, das Schonvermögen von Langzeitarbeitslosen zu erhöhen. Wer jedoch im Wahlkampf glänzen will, muss seine Finten besser vorbereiten. Süddeutsche Zeitung

Die SPD ist auf der Suche nach ihrer Rolle und ihrer Zukunft. Und da weit und breit keine Vordenker oder auch nur programmatische Denker zu sehen sind, wird dies ein jahrelanger, schmerzlicher Prozess werden. So lange wird man sich an FDP und Grünen messen müssen. Nicht am Berg Kanzleramt. Märkische Oderzeitung

Der technologische Fortschritt könnte darauf hinauslaufen, dass immer weniger Beschäftigte immer mehr Werte herstellen. Dann würden die Älteren nicht unbedingt gebraucht und könnten getrost ihren Lebensabend genießen. Stimmt Letzteres, sind politische Konzepte gefordert, wie das bezahlt werden könnte. Dazu ist von der SPD jedoch nichts zu hören. Märkische Allgemeine

Die Vorstöße von Scholz sind nicht ungeschickt gewählt, weil zumindest beim Schonvermögen die Union früher schon einmal Zustimmung erkennen ließ. Nun aber hat die Union rundheraus abgelehnt, die FDP übrigens auch. Wenn Scholz den Koalitionspartner dennoch mit dem Angebot lockt, man könne beide Vorschläge noch vor der Wahl verwirklichen, dann hat er die Ablehnung schon erwartet. Die SPD braucht für ihren Wahlkampf Schwarz-Gelb als soziales Schreckgespenst. Hannoversche Allgemeine

Gesundheitspolitik

Honorare um 9 Prozent gesteigert, mehr Geld für Deutschlands Kassenärzte. Die Reform ihrer Vergütungen hatte massive Proteste der deutschen Ärzteschaft provoziert. Die Mediziner befürchteten dramatische Einkommensverluste. Tatsächlich geht der Trend in die andere Richtung. FAZ

Lautstark haben vor allem Fachärzte im Süden Deutschlands gegen die Honorarreform protestiert, zu einer Zeit, als die Ergebnisse noch längst nicht klar waren. Ihr verfrühtes Jammern wirkt jetzt peinlich – vor allem, wenn man diesem Unmut die Zahlen über die tatsächlichen Honorar-Zuwächse im ersten Quartal gegenüberstellt. So ruinieren diese Mediziner den allgemein zu Recht guten Ruf ihres Berufsstandes. Denn tatsächlich geht es vor allem um einen internen Verteilungskampf, regional und zwischen den einzelnen ärztlichen Fachgruppen Neue Osnabrücker Zeitung (Print)

Ärzte leiden unter einem gesundheitspolitischen Overkill: Honorarreform, Gesundheitsreform mögen Verwirrung und Verärgerung erklären. Doch wäre es jetzt an der Zeit, dass sie sich wieder mehr um ihre Patienten und weniger um Politik kümmern. FAZ

Obama

Obama tappt in die Rassismusfalle. Keine Jobs, schlechte Gesundheitsvorsorge – Amerika hat genug Probleme. Doch dieser Tage bestimmt die Agenda etwas anderes: der Streit um weißen und schwarzen Rassismus. Die Zeit

Obamas Moment der Schwäche, der US-Präsident hat sich selbst in die Bredouille gebracht. Nürnberger Nachrichten

Another ‚Racial Incident‘: Debunking Talking Points about the Gates Arrest Newsweek

Schwarze und Polizei: Es klingt wie im Krieg. Tagesspiegel

If this can happen to a Harvard professor then no one is safe. My distress is squarely rooted in feeling that I watched the police handcuff American possibility. The Nation

Iran

In der Iran-Krise ist das Säbelrasseln einiger westlicher Politiker unnötig und stärkt das angeschlagene Regime. Handelsblatt

Der Streit in Irans Führung um den Vizepräsidenten ist entschieden – doch Präsident Ahmadineschad hat nach seiner Niederlage Kritiker aus dem Kabinett entlassen. Unterdessen kam es in Teheran wieder zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. FAZ

Iran ist nicht Osteuropa. Der Westen muss begreifen, dass es sich um einen Machtkampf zwischen Ahmadinedschad und der klerikalen Elite geht – und nicht um Demokratie oder Regimewechsel. Die Welt

Radikal-Islamisten unter sich. Chamenei täuscht sich gründlich, wenn er glaubt, seine Gegner in Schranken weisen zu können. taz

Die West-Welt von New York bis Berlin färbte sich grün – aus Zorn über das Regime im Iran und seine Unterdrückung der Opposition. Dabei schreckt das fromme System vor Folter und Mord nicht zurück. Franfurter Rundschau

… one more thing!

Die wichtigste Person hinter Obama, ein spannendes Portrait aus den Fluren der Macht. New York Times

Leitartikel

VW-Gesetz – Wolfsburger Irrfahrt. Der Plan, das VW-Gesetz in der Firmensatzung festzuschreiben, ist ein Irrweg. Stattdessen bräuchte das Unternehmen dringend mehr Transparenz. Financial Times Deutschland

Auch bei dieser Wahl gilt die alte Regel: Die einzigen Zahlen, die zählen, sind die vom Wahltag. Anders ausgedrückt: Auf den Wähler kommt es an – und sonst auf niemanden! BILD

Schluss mit dem Altersstarrsinn! Rente mit 69, Führerscheinentzug mit 70? Ein flexibler Umgang mit dem Alter trägt der Lebenswirklichkeit eher Rechnung und ist eine Chance für die Gesellschaft. Frankfurter Rundschau

Musste das sein? Was waren das für Termine? Wie viele Chauffeure waren eingespannt? Solche Fragen bleiben nicht ungestellt. Nicht bei einer Ministerin, die sich allein durch ihre Berufsausübung Feinde machen muss; nicht im Berliner Sommerloch; und schon gar nicht, wenn sich damit der Wahlkampf anheizen lässt. AZ-München

Punkten könnte der SPD-Kandidat, wenn er offen darlegte, wie er die Milliardenschulden zu tilgen gedenkt. Dass in der nächsten Legislaturperiode wohl staatliche Hilfen gekürzt und im Aufschwung Steuern erhöht werden, glauben die meisten Deutschen sowieso. In der Auseinandersetzung mit Angela Merkel, der Meisterin der politischen Betäubung und Verschleierung, könnten Steinmeier und seine Partei von einer solchen Offenheit profitieren. Schließlich haben sie kaum noch etwas zu verlieren. Süddeutsche Zeitung

Wurde da zu Hause Wasser gepredigt und in Spanien Wein drauf getrunken? Und muss auf eine teure Staatskarosse nicht etwas besser aufgepasst werden? Man muss den Autodieben von Alicante fast dankbar sein, dass sie den zumindest laxen Umgang deutscher Spitzenpolitiker mit ihren Dienstreiseregeln ans Licht gebracht haben – wieder einmal Hamburger Abendblatt

Wendezeit am Hindukusch. Wer glaubt, er könne sich vor ihnen wegducken, indem er die Bundeswehr so schnell wie möglich vom Hindukusch zurückholt, wird den Terror nicht los und dazu noch als Verlierer gebrandmarkt sein. Ein Exit-Strategie darf nicht wie Flucht oder Niederlage aussehen. FAZ

US-Regierung und US-Notenbank wachsen klammheimlich zusammen. Das verheißt nichts Gutes. Wirtschaftswoche

The financial crisis has propelled the Federal Reserve into an excruciating political dilemma. The Fed is at the zenith of its influence, using its extraordinary powers to rescue the economy. Yet the extreme irregularity of its behavior is producing a legitimacy crisis for the central bank. The Nation

Battle of the big beasts, mutual suspicions and national interests underlie European rows over financial regulation Economist