Schwarz-Gelb, Kundus-Ausschuss, Missbrauchsskandal, Siemens & Schuldenkrise

Rohrkrepierer Steuersenkung. Die schwarz-gelbe Koalition kann mit ihrer Finanzpolitik nicht punkten – da helfen auch immer neue Versionen nichts. Das Grundproblem ist, dass der Regierung ein klares Konzept fehlt. Handelsblatt (Print)

Retten, was zu retten ist. Die Umfragewerte für Schwarz-Gelb in NRW sind bedrohlich. Statt Besonnenheit beherrscht nun Aktionismus das Handeln in Berlin. Plötzlich soll eine abgespeckte Steuerreform her. Düsseldorf dürfte das gar nicht glücklich machen. Kölner Stadt-Anzeiger

Immer noch zu wenig. Die Union will wegen der Wahl in Nordrhein-Westfalen die Steuerreform vorziehen. Den Liberalen ist das nicht genug. Ministerpräsident Rüttgers sieht Klärungsbedarf. Süddeutsche Zeitung

Ängstlich. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch einen Blick auf Deutschlands Zukunft warf, wählte sie die Metapher der „Herkulesaufgabe“, die vor dem Land liege. Das Bild aus der griechischen Mythologie hat etwas Beruhigendes, schließlich strahlt es Kraft aus. Hannoversche Allgemeine

Regieren ohne Kompass, aus der vorgezogenen Steuerreform wird nichts Nürnberger Nachrichten

Dementis von (fast) allen Seiten. Die Steuerreform bleibt das Reizthema der Regierung. Kaum ist das Gerücht in der Welt, die schwarz-gelbe Koaltion wolle noch vor der NRW-Wahl eine abgespeckte Version präsentieren, schallt es Dementis en masse. Am lautesten von der FDP – nur die CSU schweigt. Stern

Seehofer brüskiert seine Koalitionspartner Bei einem vertraulichen Treffen hat Horst Seehofer Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vize-Kanzler Guido Westerwelle (FDP) eine abgespeckte Steuerreform bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen vorgeschlagen. Als das Finanzministerium zu rechnen anfing, gelangte der Plan an die Presse. Steckt Seehofer hinter der Indiskretion? Die Welt

Bauch und Hirn der Mittelschicht, Regierung will Steuersenkungen vorziehen taz

Westerwelle sollte Merkel zuliebe schweigen. Nach einem Winter des Stillstands muss die schwarz-gelbe Koalition jetzt dringend Reformen anpacken. Weder Gesundheitsprämie noch Steuerreform können auf die lange Bank geschoben werden. Die Spitzenrunde im Kanzleramt am Wochenende steht daher unter großem Erfolgsdruck Die Welt

Was könnte man der Bundesregierung dann überhaupt noch glauben, sollte hier allein um der besseren Wahlchancen an Rhein und Ruhr willen getrickst werden? Schwarz-Gelb wäre bei allen künftigen Ankündigungen und Versprechungen völlig unglaubwürdig, brächten Union und FDP unter den gegebenen Umständen im Schnellschuss Steuererleichterungen auf den Weg. Nürnberger Zeitung

Merkels Tumult-Team will doch regieren, Steuerreform gegen Umfragetief Spiegel

Überflüssiges Vorhaben. Sage keiner, die großen Parteien würden sich zum Verwechseln ähneln. Während die SPD in ihrer Oppositionsrolle gerade den Geist der alten Hartz-Gesetzgebung zu vertreiben sucht, will ihn die Union offenbar neu beleben Lausitzer Rundschau

Merkels Biedermeier-Syndrom. Wilhelm Zwo ist out, aber nicht deutsche Verantwortungspolitik. Dass Merkel nicht führen will, ist typisch für das moderne Europa. Die Zeit

Kundus-Untersuchungsausschuss

Der selbstverliebte Darling – das Modell Guttenberg. Die Kundus-Affäre und die Verkürzung der Wehrpflicht: Verteidigungsminister Guttenberg agiert erratisch und leistet sich gravierende Fehler. Dennoch ist er beliebt wie kein anderer deutscher Politiker. Diese nahezu leistungsunabhängige Zustimmung ist ein enormes Kapital. Süddeutsche Zeitung

Schneiderhans eiskalter Report bringt Guttenberg in Bedrängnis Spiegel

Guttenberg war stets entscheidungsfähig. Im Kundus-Untersuchungsausschuss haben der frühere Generalinspekteur Schneiderhan und der frühere Staatssekretär Wichert Darstellungen zurückgewiesen, sie hätten Verteidigungsminister zu Guttenberg im vergangenen November belogen. FAZ

Schneiderhan will Guttenberg gewarnt haben. Während der Befragung stellte der Ex-Generalinspekteur seine früheren Dienstherren als beratungsresistent dar – und bestätigte die Existenz einer geheimen Gruppe. Wie er bestritt auch Ex-Staatssekretär Wichert, Guttenberg Informationen vorenthalten zu haben Financial Times Deutschland

Truppe ohne Ruhm. Die Aufarbeitung der Kundus-Affäre zeigt einmal mehr: Bei einer Schlammschlacht gibt es nur Verlierer. Dabei wäre sie vermeidbar gewesen. Frankfurter Rundschau

Wenn ein Minister einen Luftschlag erst eilfertig rechtfertigt, dann aber auf gleichem Wissensstand dies korrigiert, stimmt etwas nicht. Wenn eben dieser Minister den Generalinspekteur und einen Staatssekretär feuert, aber später die eigene Begründung zu relativieren versucht, zeugt das keineswegs von Charakterstärke. Märkische Oder-Zeitung

In der Defensive. Karl-Theodor zu Guttenberg gehört zur Generation der neuen Realisten in Merkels Kabinett. Nichts anderes, als die Wahrheit beim Namen nennen, will er. Dass er für sich beansprucht, diese Wahrheit zu kennen und auszulegen, kostete engen Mitarbeitern bildlich den Kopf; aber das ist es zu Guttenberg wert. Kölnische Rundschau

Es war ein Rachefeldzug der unterkühlten Art, den der einst ranghöchste deutsche Soldat gestern zwei Stunden lang und ziemlich formvollendet an der parlamentarischen Front geführt hat. Und das Ziel war eindeutig: Karl-Theodor zu Guttenberg. WAZ

Ex-Generalinspekteur Schneiderhan belastet Guttenberg. Er ist leise und sein Vortrag brisant: Laut Schneiderhan hat Guttenberg alle nötigen Berichte gehabt, um ein korrektes Urteil über den Luftschlag bei Kundus zu fällen Die Zeit

Sachliche Aufklärung, bitte. Nach dem Fall Kundus bleibt auch an der Heimatfront einiges aufzuklären. Dass der Ausschuss dabei der Versuchung widersteht, den politischen Gegner vorzuführen, ist er den Soldaten schuldig, die ihr Leben aufs Spiel setzen. FAZ

Verteidigungsministerium wollte Wahrheit gezielt vertuschen Spiegel

Bundespräsidenten-Debatte

Horst Köhler hat seine Chance vertan. Was macht eigentlich der Bundespräsident? Das ist eine seit geraumer Zeit in politischen Kreisen erörterte Frage, die nun sehr öffentlich geworden ist. Berliner Zeitung

Missbrauchsskandal

Bischöfe wollen keine „billige Gnade“ für Täter. Deutliche Worte vom Münchner Erzbischof Reinhard Marx: Für Täter in Missbrauchsfällen soll es keine „billige Gnade“ geben. Die Bayerische Bischofskonferenz will jeden Verdacht auf sexuellen Missbrauch an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten. Weniger deutlich ist ihre Haltung im Bezug auf Entschädigungen. Die Welt

Fälle für den Staatsanwalt. Die bayerischen katholischen Bischöfe wollen nun gleich zum Staatsanwalt gehen, wenn sie von einem Fall sexueller Gewalt erfahren. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit Frankfurter Rundschau

Dieser Bischof will jetzt aufräumen! Jahrzehntelang wurden Missbrauchs-Fälle verheimlicht. Jetzt will der Münchner Erzbischof Reinhard Marx eine Meldepflicht einführen. Bild

Vernichtete Kinder. Eine Lehre, die wir aus dem Missbrauchsskandal ziehen müssen, ist: Der Weg auf Seiten mit kinderpornografischem Inhalt muss versperrt werden. Was in der Sakristei nicht geht, geht auch im Netz nicht. Alles andere befördert eine Kultur des strukturierten und einstudierten Wegschauens. The European

Der Weg des Wolfgang S. Der Jesuitenpater Wolfgang S. misshandelte über Jahrzehnte in mehreren Kollegs seine Schüler: Viele wussten davon, keiner handelte. Süddeutsche Zeitung

Kindesmissbrauch ist Gotteslästerung. Der Anteil der katholischen Kirche am Kindesmissbrauch bewegt sich im Promille-Bereich. Trotzdem: Ein faules Ei verdirbt das ganze Omelette. Für Papst Benedikt stellen die Missbrauchsfälle ein besonderes Problem dar, zeigt sich in ihnen doch in krasser Weise der Abfall der Priester vom katholischen Glauben Die Welt

Dämonisiert und verharmlost. Was ist eigentlich Pädophilie? Was sind ihre Ursachen? Kann man sie therapieren? Die vielen Fälle sexuellen Missbrauchs, die ans Licht gekommen sind, verlangen nach Aufklärung – auch durch die Wissenschaft. FAZ

Stellenabbau bei Siemens

Stellenabbau bei Siemens ist ohne Alternative. Siemens will 4200 Stellen in seiner IT-Sparte abbauen. Der Schritt ist notwendig, weil die Münchner im IT-Geschäft hinterher hecheln. Wirtschaftswoche

Die Krux mit dem Widerspruch. Ausgliedern, zurückholen – und jetzt verkaufen: Siemens-Chef Peter Löscher krempelt die Sparte SIS um. Fehlt Deutschlands größtem Technologiekonzern die Strategie? Süddeutsche Zeitung

Her und Hin Siemens entlässt 4200 Mitarbeiter in seiner IT-Sparte. Dabei sind Fachleute gesucht und werden es auch künftig bleiben. Tagesspiegel

Siemens‘ Großbaustelle SIS. Die Informationstechnik im Siemens-Konzern eignet sich zum Anschauungsunterricht für das Verschleppen von Schwierigkeiten. Das Ausmaß der Versäumnisse auf der Dauerbaustelle SIS kommt erst jetzt zum Vorschein. FAZ

Schuldenkrise

Griechenland dringt auf eine rasche Entscheidung. Nach Auffassung von Athens Premier Giorgos Papandreou sollen die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Treffen nächste Woche in Brüssel die Nothilfe an Griechenland beschließen. Börsenzeitung

Berlin, bitte hart bleiben. Deutschland darf sich nicht vom Ultimatum Griechenlands zu Hilfszusagen drängen lassen. Den IWF zu Hilfe zu rufen schadet nicht. Nötig wäre aber, zu regeln, wie bei künftigen Notfällen Hilfe geleistet werden soll. Financial Times Deutschland

Ackermanns Hilferuf zugunsten Athens ist falsch. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann warnt davor, Griechenland pleite gehen zu lassen. Das mag richtig sein. Doch sein Signal ist falsch. Bei voreiligen Hilfszusagen an den verschuldeten Staat könnten manche auf eine Rettung der Griechen wetten – das wäre ein Sieg der Spekulanten. Die Welt

Italiens Notenbankchef fordert neuen Stabilitätspakt. Mario Draghi unterstützt den Vorschlag von Kanzlerin Angela Merkel, die Etatdisziplin der Euro-Länder strenger zu kontrollieren. Die Griechenland-Krise habe gezeigt, dass auch eine stärkere Abstimmung der Wirtschaftspolitik in Europa notwendig sei. Handelsblatt

Merkel unter Beschuss. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Zorn mehrerer Länder auf sich gezogen. Eine Woche vor dem EU-Gipfel kritisierten Griechenland, Frankreich und Spanien Merkels Äußerungen, Haushaltssünder notfalls aus der Euro-Zone auszuschließen Manager Magazin

Geld oder Worte. Die Debatte über Notfallpläne für das überschuldete Griechenland in der EU als „vielstimmig“ zu bezeichnen wäre eine Beschönigung. Hinter den Kulissen gibt es handfesten Krach darüber, wie die Partner einen drohenden Staatsbankrott Griechenlands abwenden und Schaden von der Währungsunion abwenden können. Hannoversche Allgemeine

„Nicht mal Gott kann den Euro bewegen“ Der Euro ist unter Beschuss geraten. Seit Ende November hat der Euro mehr als zehn Prozent gegenüber dem US-Dollar verloren. Mancher fürchtet schon, die Währungsunion könne zusammenbrechen. Politiker in Brüssel, Berlin und Athen geben Spekulanten die Schuld. Doch damit wollen sie nur von den eigentlichen Problemen ablenken, sagen Experten. Handelsblatt

Germany Open to Joint Europe-IMF Bailout for Greece Wall Street Journal

… one more thing!!

Steuerberater für Vaduz. Der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki zieht in Vaduz die Strippen. Er schlägt eine Amnestie für Treuhänder in Liechtenstein vor – und berät selbst die dortige Regierung. Süddeutsche Zeitung

Leitartikel

Die Aufgaben des Herkules 1,7 Billionen Euro Schulden hat der deutsche Staat inzwischen angehäuft, den weitaus größten Teil in guten Zeiten und ganz ohne Finanzkrise. Die Europäische Kommission tut daher gut daran, angesichts grassierender Haushaltslügen klare Informationen darüber anzufordern, wie und wann Berlin den Schuldenentzug zu beginnen gedenkt. Tagesspiegel

Eine Steuersenkung „light“, ein bisschen was für gute Stimmung – VOR der NRW-Wahl. Dementi hin oder her. … und hinterher heißt es dann: Mehr ist nicht drin! Beides ist der reine Beschiss! Bild

Politik nach Paniklage. Nachhaltigkeit, langer Atem, Weitsicht sieht anders aus AZ München

Grenzüberschreitung als Prinzip. So wenig wie der Missbrauch dem Zölibat anzulasten ist, kann man ihn der Reformpädagogik als Systementwurf zuschreiben. Nicht abstreiten lässt sich, dass beide Systeme Menschen mit pädophilen Neigungen anziehen – denn sie haben die Nähe zum Überwältigungsprinzip erhoben. FAZ

Griechenland verleiht Flügel. Die Beinahe-Pleite des Eurolands zeigt die Defizite der Währungsunion. Mehr noch: Sie befördert das Nachdenken über bessere Verträge. Berlin prescht dabei vor. Frankfurter Rundschau

Wenn der Autor verschwindet, das Buch im Zeitalter des Internets Die Welt

Der Wirrwarr bleibt. Wenn die Reform der Bankenaufsicht so kommt, wie die Union es vorschlägt, hat Axel Weber künftig nicht nur einen Posten mehr, sondern wahrscheinlich auch viele Sorgen Financial Times Deutschland

Eiskalte Freundschaft. Israel und die USA befinden sich in einer Beziehungskrise. Der geplante Siedlungsbau in Jerusalem hat das Vertrauen immens erschüttert. Dennoch sind die beiden Nationen im Kampf gegen Iran zu einem Bündnis verdammt. Kölner Stadt-Anzeiger

A messiah is not enough Obama’s outstretched hand of friendship has been bitten or brushed aside. But it’s not all his fault, schreibt Timothy Garton Ash in Globe and Mail

Too Big to Jail? More than a year later, has anybody been brought to account for crashing our economy? Don’t be silly. Mother Jones

Why We Reform. A South Carolina case in which a teenager with H.I.V. had his insurance policy revoked is a reminder of why we need health care reform now, imperfect as it is. New York Times

Spin, science and climate change
. Action on climate is justified, not because the science is certain, but precisely because it is not Economist