Wahlkampf, No-Spy-Abkommen, Ägypten, Japan & Johnny K.

Türken wählen die Sozialdemokratie Bei Wahlen stimmen Einwanderer in Deutschland ähnlich ab wie Alteingesessene. Nur die größte Minderheit neigt zu den Sozialdemokraten. Das hat einen Grund: Die SPD ködert mit sozialen Leistungen. Die Welt

Parteien auf der Jagd Die Parteien sind alles andere als multikulti. Dabei können sie sich das gar nicht leisten. Das geht langsam auch den Parteien auf. Also bemühen sie sich um Migranten als Wähler. Mit unterschiedlichem Erfolg. Handelsblatt

„Die CDU macht sich für muslimisches Leben stark“ Ist die CDU eine Zuwandererpartei? Ja, sagt Cemile Giousouf. Die CDU-Direktkandidatin erklärt Kohls umstrittene Aussagen über Gastarbeiter, lobt Merkels Integrationspolitik – und wünscht sich von ihrer Partei mehr Mut. Handelsblatt

Feind im eigenen Bett Steinbrück wäre nicht der erste, den die SPD höchstselbst zu Fall gebracht hat. Mangelnder Glaube an sich selbst und eine überforderte Parteizentrale machen die Kampagne des Kanzlerkandidaten noch schwerer, als sie ohnehin schon ist. Die Nervosität hat längst nicht mehr alleine die üblichen Verdächtigen befallen. Süddeutsche Zeitung

Der alte Mann und das Erbe der SPD Eigentlich wollte Franz Müntefering bis zum 22. September schweigen – und erst danach über den SPD-Wahlkampf sprechen. Nun ist ihm schon vorher der Kragen geplatzt. FAZ

Steinbrück will Spekulationsgeschäfte eindämmen Steinbrück prescht vor der Bundestagswahl mit neuen Plänen vor: Der SPD-Kanzlerkandidat will Banken die Spekulation mit Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen verbieten. Der Abschluss von Rohstoff-Wetten zähle nicht zu den Aufgaben eines Finanzinstituts, kritisiert er. Süddeutsche Zeitung

Steinbrücks Verzicht Nichts ist neu an den zehn Punkten zum Thema Energiepreise, mit denen der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück aus dem Umfragetief herauskommen will. Dabei sollte er lieber auf noch mehr Regulierung verzichten. FAZ

Ohne Energie Der galoppierende Strompreis nervt Privathaushalte und Wirtschaft. Hier sollte man Nektar saugen können als Opposition. Börsen-Zeitung

Merkels einsamster Kämpfer Anderswo wäre er Favorit, hier ist er für viele ein Feindbild: Götz Müller kandidiert im traditionell linken Berliner Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost für die CDU. Es ist ein mühsamer Kampf. Gegen Intoleranz gegenüber Konservativen, gegen wütende Frauen und gegen Hans-Christian Ströbele, den Liebling der Massen. Süddeutsche Zeitung

Nationale Musik in britischen Ohren London interpretiert die Kanzlerin: Auf der britischen Insel wird das Sommerinterview Merkels mit kleiner Verzögerung als europapolitisches Fanal wahrgenommen. FAZ

NRW macht die Wahl spannend Nicht ausgeschlossen, dass sich hier, im bevölkerungsreichsten Bundesland, entscheidet, wer demnächst in Berlin regiert. Vor allem CDU und SPD können hier viel gewinnen – oder alles verlieren. WAZ

Die Deutschen müssen sich an Armut gewöhnen Die abnehmende Zahl der Bevölkerung sollte eines der Hauptthemen des Wahlkampfes sein, doch die Parteien fürchten sich davor. Sie wissen, was uns erwartet. Ehrlicher wäre es, die Wahrheit zu sagen. Die Welt

Wann beginnt endlich der Wahlkampf? Die Voraussetzungen für einen spannenden Wahlkampf könnten kaum besser sein. Doch die Politik gibt sich lethargisch. Es ist höchste Zeit, dass die Parteien anfangen, um die Wähler zu werben. Wirtschaftswoche

No-Spy-Abkommen

No Spy? Das geplante „No-Spy-Abkommen“ soll die Dienste zur Einhaltung des Rechts verpflichten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Aber Spionage ist völkerrechtlich nicht verboten. FAZ

No-Spy-Abkommen, nur Beruhigung der Nervösen Washington und Berlin wollen sich in einer Garantieerklärung versprechen, sich nicht auszuspionieren. Damit wird Deutschland Mitglied der alten Weltkriegsallianz. Doch es kommen Pflichten auf uns zu. Die Welt

Neue Regeln unter Freunden Das Wahlkampfkapitel „Weltweite Präsenz amerikanischer Nachrichtendienste“ ist abgeschlossen. Das gibt Gelegenheit, wieder sachlich über Datenschutz und das uralte Spionagegewerbe zu reden. FAZ

Ägypten

Im Würgegriff der Gewalt Schluchzende Frauen, zornige Männer, erregtes Geschrei: Mit aller Gewalt haben die Sicherheitskräfte die Protestcamps in Kairo geräumt. Ägypten zählt nun seine Toten. Der Innenminister meint, man sei „möglichst menschlich vorgegangen“ – dieser Hohn wird den Protest der Islamisten weiter anstacheln. Süddeutsche Zeitung

Nie war Ägypten dem Bürgerkrieg näher Warum diese Gewalt? Das Massaker des gestrigen Tages war ein Wendepunkt für Ägypten. Dem Land steht Schlimmeres bevor als nur die Rückkehr eines Mubarak-artigen Regimes. ZEIT

Ägypten fürchtet einen „Tag des Zorns“ Anhänger der Muslimbrüder wollen nach dem Freitagsgebet wütend durch die Straßen ziehen, die Regierung mit Härte reagieren. Bei aller Sorge: Auch diese Welle der Gewalt und Zerstörung wird ein Ende finden. Wirtschaftswoche

In Trümmern Während Kairo am Tag nach dem brutalen Vorgehen gegen die Muslimbrüder unter Schock steht, mehren sich die Anzeichen, dass das Militär seine Position festigt. Es ist, als würde die Zeit zurückgedreht. FAZ

Militärdiktatur mit freundlichem Antlitz Ägypten ist noch nicht reif für einen Neuanfang, der die Ziele der Revolution respektiert. Es fehlt an der visionären Reife der Menschen und an politischem Führungspersonal. Die Welt

Eindeutige Botschaft für Ägypten Nach der Eskalation der Gewalt ist die Einbestellung ägyptischer Botschafter kaum mehr als ein hilfloser Versuch der Diplomatie, die Stimme der Vernunft zu erheben. Berliner Zeitung

Belanglos Die in die Hunderte gehende Zahl der Toten in Ägypten spricht eine furchtbar eindeutige Sprache: Viel zählt das Wort Washingtons nicht mehr. FAZ

Trügerische Urlaubsidylle Die heile Tourismuswelt gibt es nirgendwo, keine Frage, vor allem in den vielen armen Ländern nicht, die vor Schönheit oft nur so strotzen. Aber Ägypten zeigt sein anderes Gesicht und es wird jeden Tag noch hässlicher. WAZ

The Failed State of Egypt? The aggrieved supporters of ousted Egyptian President Mohamed Morsi and the jubilant protesters who pushed the military to remove him have divided Egypt into two irreconcilable camps, both reflecting and reinforcing the country’s deeper problems. Indeed, Egypt is now largely ungovernable, subsisting on generous foreign Project Syndicate

Markets are poor judge of Egyptian violence A bloody crackdown on protesters has intensified the political crisis in the Middle East’s most populous country. Oil prices and Egyptian CDS are up. The ramifications may be far wider than the initial reaction suggests. For now, the market response can be only backward-looking. Breakingviews

Interests over values Obama tries to make the case for his policy. POLITICO

Japan

Falsche Signale Japans Ministerpräsident Abe hat es zwar unterlassen, im Yasukuni-Schrein auch verurteilter Kriegsverbrecher zu gedenken. Dennoch sendet er falsche Signale in die Welt. FAZ

Abe verzichtet auf Schrein-Besuch Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe beugt sich dem Druck aus Washington und verzichtet darauf, zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs den Yasukuni-Schrein in Tokio zu besuchen. FAZ

Aufrüsten statt für den Weltkrieg entschuldigen Japans politische Kultur beginnt sich zu wandeln: Die neue Regierung betont das Militärische und eine Friedensbotschaft zum Weltkriegsgedenktag gab es nicht keine mehr. ZEIT

The Shadow from Yasukuni Asia faces a noisome question every August: Will Japan’s prime minister visit the Yasukuni Shrine, which honors more than a thousand indicted war criminals from the country’s colonialist past? But, just as Japanese rightists are criticized for whitewashing history, so China would do well to reconsider its own wartime past.
Project Syndicate

Johnny K.

Totgeschlagen Mehr als ein faires Verfahren und eine schuldangemessene Entscheidung kann das Strafrecht nicht leisten. Doch es muss auch Unrecht beim Namen nennen und sollte abschrecken. Das gilt auch für das Urteil im Fall Jonny K. FAZ

Ist das Leben eines Menschen so wenig wert? Viereinhalb Jahre Jugendstrafe für den Täter im Jonny-K.-Prozess – das wirkt ernüchternd. Doch gegen das Urteil ist nichts zu sagen, selbst wenn es für alle Beobachter schwer zu verkraften ist. Die Welt

Alles ist allen zuzuordnen Das Urteil im Fall Jonny K. bestärkt diejenigen, deren Vertrauen in den Rechtsstaat auf einer nach Gesetzen urteilenden Gerichtsbarkeit beruht. Alles andere ist Sache der Politik und der Gesellschaft. Tagesspiegel

„Dumm, arrogant und aggressiv“ Die Berliner Richter sehen Onur U. als Haupttäter. Doch wer für den Tod des 20-jährigen Jonny K. letztlich verantwortlich ist, bleibt ungeklärt. taz

Als das Urteil fällt, lächelt Onur U. verkrampft Der Prozess um den Tod von Jonny K. ist mit Schuldsprüchen zuende gegangen. Zugegeben hat die Tat keiner der Angeklagten, auch wenn sie sich entschuldigt haben. Berliner Morgenpost

…one more thing!

Batman ist jetzt eine pakistanische Muslima Im pakistanischen Fernsehen gibt es die erste animierte Superheldin. Und die ist ausgerechnet verhüllt. Religiösen Eiferern aber bereitet „Burka Avenger“ keine Freude. Im Gegenteil. FAZ

Leitartikel

Blutiger Wandel Unversöhnlich stehen sich in Ägypten Säkulare und Islamisten gegenüber. In vielen anderen arabischen Ländern ist die Lage nicht besser. Im dritten Jahr der Arabellion ist die arabische Welt ein Pulverfass wie nie zuvor in der jüngeren Geschichte. FAZ

Ägyptens brutale Armee Nein, die Muslimbrüder sind keine Freunde des Westens. Und trotzdem haben sie ein Recht darauf, friedlich zu demonstrieren. BILD

Nur Verlierer Es ist die Stunde der Pessimisten. Alle, die vor dem Sturz ins Chaos warnten, die den arabischen Frühling nicht als Hoffnungsschimmer, sondern als Vorboten für heilloses Durcheinander sahen, dürften sich in Ägypten bestätigt sehen. AZ München

Tat ohne Anlass Dem Berliner Gericht ist es nicht gelungen, ein Motiv, einen Grund oder nur einen Anlass für den tödlichen Überfall auf Jonny K. zu finden. Die Tat sagt nichts, sie zeigt nichts, sie ist kein Symbol, kein Muster und kein Beispiel. Dass sie unerklärlich ist, macht sie erst recht bedrohlich. Frankfurter Rundschau

Das Internet, ein überwachtes Zuhause Das Netz ist längst zur realen Lebenswelt geworden, kaum jemand „geht“ noch „online“ – viele sind es permanent. In diesem Zuhause führen sich Regierungen, Unternehmen und Geheimdienste so auf, als wäre es ihr Haus. Das schüchtert die Bürger ein – und macht sie zu Untertanen. Süddeutsche Zeitung

The battle for Egypt The generals’ killing spree is a reckless denial of the lessons from the Arab spring Economist

Obama in full retreat His dangerous passivity on Egypt and Syria. Washington Post

Moment of Truthiness Who will tell the truth, the whole truth and nothing but the truth on the budget deficit? New York Times

How Star Wars Saved American Triumphalism With its departure from realistic warfare and its nominal embrace of the underdog, the franchise got American kids back into war. Mother Jones