Koalitionsverhandlungen, SPD, Arbeitsmarkt, Georgien & China

Lauter Streit vorm Jawort. Kündigungsschutz, Mindestlöhne, Gesundheitsfonds – et cetera et cetera: Das Papier für den Ehevertrag ist nicht einmal geordert, da zoffen sich die schwarzgelben Möchtegern-Partner über die Inhalte. Frankfurter Rundschau

Auf die neue Bundesregierung wartet „harte Arbeit“. Das hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gleich am Wahlabend betont. Völlig zu Recht: Wie fragil die Konjunktur noch immer ist, zeigen die neuesten Schätzungen des Internationalen Währungsfonds. Das könnte den Tatendrang der neuen Regierung empflindlich ausbremsen Handelsblatt

Bei Koalitionsverhandlungen suchen die Beteiligten nach einer gemeinsamen Schnittmenge. Doch beim Streitthema innere Sicherheit wird es die nicht geben. Süddeutsche Zeitung

Dass auch diesmal nicht durchregiert wird, hat der künftige Vizekanzler früh erkannt. Seine uneinlösbaren Steuerversprechen muss Westerwelle aufgeben, ohne sein Gesicht zu verlieren. Er sucht einen Sieg, aber in kleinerer Münze. Zum Charakter dieser singulären Krise passt das Herantastende, Abwägende. Tagesspiegel

Wehrpflicht- oder Berufsarmee, Bürgerrechte contra Sicherheit durch Überwachung, Kassensturz oder Steuergeschenke. Die Liste schwarz-gelber Streitpunkte ist imponierend lang. Manche der Beteiligten, nicht zuletzt die geschrumpelte CSU und die aufgepumpte FDP, scheinen dies mit der Aufforderung zum größtmöglichen Imponiergehabe zu verbinden. Dabei ist doch schon jetzt klar: Bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen Mitte 2010 passiert nicht viel. Leipziger Volkszeitung (Print)

Argumente für und gegen einen strengen Kündigungsschutz, Kostet die Blockade 40 000 Stellen? Nürnberger Nachrichten

Gewerkschaftschef Michael Sommer rüstet sich für den Regierungswechsel. Ein Interview in der Süddeutschen Zeitung

Die Kommunikation zwischen Spitzenpolitikern und Volk ist zutiefst gestört. Parteichefs und Kanzlerin sollten das Raumschiff Berlin häufiger verlassen Financial Times Deutschland

Crashkurs im Auswärtigen Amt. Das Internationale war bisher nicht seine Herzensangelegenheit. Für seine neue Aufgabe als Außenminister braucht Guido Westerwelle deshalb kompetente Ratgeber. Süddeutsche Zeitung

Germany Has a Gay Minister — Yäwn! Guido Westerwelle, Germany’s new vice-chancellor and foreign minister, is very popular and openly gay. And nobody in Germany cares. Foreign Policy

SPD

Wozu SPD? Sozialdemokraten werden in jeder Demokratie westlichen Typs gebraucht. Das sieht man gerade in Ländern wie den Vereinigten Staaten und Japan, die mit nur zwei Parteien auskommen: Eine davon muss sozialdemokratisch sein, sonst haben weite Teile der Bevölkerung keine politische Vertretung. FAZ

Der Druck muss raus, die Linken in der SPD machen sich Luft NRZ

Die SPD ist atemlos. Nach der Niederlage gönnte sie sich nur eine kurze Pause, um den Schmerz zu unterdrücken. Danach preschten die Mitglieder des Rudels durch das Unterholz, bissen den einen weg, rotteten sich um den anderen zusammen und einigten sich vorerst auf einen neuen Leitwolf. Hannoversche Allgemeine

Die Sozialdemokraten korrigieren entschlossen ihren Kurs. Sie reagieren damit endlich auf das Gefühl vieler Menschen, bei dieser Partei in den vergangenen Jahren ständig zu kurz gekommen zu sein Financial Times Deutschland

Sigmar Gabriels Konturlosigkeit ist eine gute Voraussetzung für eine Orientierung hin zur Linken und dem Halten der Mitte. Was ihm fehlt, ist das integrative Element. taz

Spannend wird vor allem das Zusammenspiel von Steinmeier und Gabriel werden. Da mag sich der Fraktionsvorsitzende noch so sehr gegen eine „Koalition in der Opposition“ sträuben – in den Landesverbänden wird fleißig an einer rot-roten Blockadebarriere gegen Schwarz-Gelb im Bundesrat gewerkelt. In drei Ländern werden gerade die Fundamente dieses Bauwerks gegossen, in Nordrhein-Westfalen könnte bald ein weiteres Element hinzugefügt werden FAZ

Arbeitsmarkt

Gut für Schwarz-Gelb Die jüngsten Zahlen vom Arbeitsmarkt sind nicht nur eine ermutigende Botschaft für alle Arbeitnehmer. Die Nürnberger Statistik meint es auch gut mit der künftigen Bundesregierung. Lausitzer Rundschau

Die Kurzarbeit hat sich in der Krise bewährt, der deutsche Sozialstaat bewiesen, dass er mehr ist als eine Schönwetterveranstaltung. Allerdings ist die geschmeidige Entwicklung nicht umsonst zu haben. Die Kurzarbeit kostet allein 2009 rund 14 Milliarden Euro NRZ

Der große Jubel kommt zu früh: Zwar sind die neuen Arbeitslosenzahlen erfreulich, doch von einer durchgreifenden Erholung kann keine Rede sein. Neue Stellen gibt es derzeit nur bei Zeitarbeitsfirmen. Financial Times Deutschland

Viele Beschäftigte sind bereits in Kurzarbeit. Wie lange die Betriebe bei diesem für sie nicht kostenlosen Modell bleiben, ist offen. Angesichts dieser Gemengelage die Forderung nach einem Abbau des gesetzlichen Kündigungsschutzes auf den Tisch zu bringen, trägt lediglich zur allgemeinen Verunsicherung bei. Da droht in den Hintergrund zu geraten, was wirklich notwendig wäre: Arbeitsagenturen und Jobcenter so fit und leistungsfähig zu machen Schweriner Volkszeitung

Sonnen kann sich Schwarz-Gelb wie auch die Vorgänger-Koalition allerdings nicht in diesem Erfolg. Immer wieder mal ist die Nürnberger Statistik von Problemgruppen bereinigt worden. Teilnehmer in diversen Programmen gelten nicht als Arbeitslose. Auch das hilft jetzt, nicht über eine Vier oder Fünf vor der Millionenzahl der Arbeitslosen sprechen zu müssen. Berliner Zeitung

Der unerwartete Rückgang der Arbeitslosenzahl wird von der BA vor allem einer nun bereits seit einigen Monaten wirksamen Änderung in der Statistik angelastet. Unbereinigt liegt die Arbeitslosenzahl nunmehr nur noch wenig über der Marke von 3,3 Millionen. Dies waren zwar 266 000 Personen mehr als vor Jahresfrist. Börsenzeitung

China

Chinas gestörte Harmonie 60 Jahre nach ihrer Gründung steht die Volksrepublik vor einer neuen Phase der Modernisierung. Handelsblatt

Wie China die Geschichte zurecht biegt.
Zum 60. Geburtstag der Volksrepublik lassen Chinas Führer die Gründung der Republik und ihren Weg zur Globalmacht mit einer Bühnenshow und einer Geschichts-Ausstellung feiern. Sie zeigen die Historie nach 1949 als Serie von Erfolgen. Für kritische Töne ist der Platz mehr als gering bemessen. Die Welt

60 Jahre Widersprüche. Karl Marx würde es bei einem Blick auf das heutige China eiskalt den Rücken herunter laufen. Der deutsche Philosoph des 19. Jahrhunderts hatte sich den von ihm propagierten Kommunismus wahrlich anders vorgestellt. Lausitzer Rundschau

China at 60: The Road to Prosperity TIME

China’s 60th anniversary this week also marks 60 years of a volatile relationship with its own minority populations. Now, if the region is to stay stable, China must undo the damage Mao did Foreign Policy

Georgien

Wer trägt die Schuld am Georgien-Krieg vom August 2008? Eine Kommission der EU kommt zu dem Ergebnis: Tiflis hat begonnen, Moskau hat provoziert. Saakaschwili hatte behauptet, seine Streitkräfte hätten auf eine russische Invasion reagiert. FAZ

Der EU-Bericht ist eine Chronik des Versagens. 390 Georgier und Russen verloren ihr Leben, Tausende wurden verwundet, weil die Führungen in Moskau und Tiflis leichtfertig mit dem Feuer spielten. Dass die Befehlshaber vom August 2008 nicht zur Verantwortung gezogen werden, mag internationalen Gepflogenheiten entsprechen. Hannoversche Allgemeine

Spätestens seit dem gestrigen Tag muss daher klar sein, dass Georgien auf absehbare Zeit nichts in der Nato verloren hat. Unter der gegenwärtigen Führung wäre das Land ein Sicherheitsrisiko für das gesamte Bündnis. Beim Bukarester Gipfel im April 2008 versprach die Nato, Georgien aufzunehmen. Der damalige US-Präsident George W. Bush wollte das so. Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy konnten zum Glück die Nennung eines konkreten Datums verhindern Berliner Zeitung

Man muss den Gang der SPD in die Opposition nicht bedauern, um Steinmeiers Scheiden aus dem Amt des Außenministers als Verlust zu empfinden. Er wird uns fehlen, wenn es gilt, innerhalb der westlichen Allianz eigenständige deutsche Positionen zu formulieren. Nürnberger Zeitung

… one more thing!

Stumpfe Pfeile gegen den Kapitalismus. Manche Kritiker wollten wegen der Krise den globalisierten Kapitalismus beerdigen. Doch die liberalen Reformen haben in den letzten 20 Jahren dazu geführt, 500 Millionen Menschen aus der Armut zu heben. Die Krise darf nicht dazu missbraucht werden, diese Tatsache zu widerlegen. Nötig sind präzise Reformen des Finanzsektors. Handelsblatt

Leitartikel

Die Union ist die letzte Supermacht. Der Blick auf die Sitzverteilung im 17. Deutschen Bundestag zeigt die Dimension der Sieges der Union über die Sozialdemokratie: 239 Abgeordnete von CDU und CSU werden neben nur noch 146 SPD-Abgeordneten sitzen. Die Welt

Was die Große Koalition bei Steuern, Arbeitsmarkt und Gesundheit nicht schaffte, muss doch zwischen Union und FDP möglich sein. Die Mehrheit in Deutschland hat für den Wechsel gestimmt. Jetzt hat sie nicht nur Anspruch auf einen neuen Außenminister. Sondern auch auf eine andere Kanzlerin Angela Merkel. BILD

Gewagte Machtarchitektur.
Nach dem Wahldebakel sucht die SPD eine „eierlegender Wollmilchsau“ für die Spitze. Weil es die nicht gibt, hat man sich für eine Troika entschieden. Doch eines bleibt in der Konstellation unklar: Wo soll das Kraftzentrum der Partei liegen? Kölner Stadt-Anzeiger

Polizei im Dilemma. Allzu martialisches Verhalten kann auch Unbehagen AZ München

Die europäischen Banken haben einigen Nachholbedarf bei Abschreibungen. Darauf, was den deutschen Instituten noch bevorsteht, gab die LBBW letzte Woche einen Vorgeschmack. Financial Times Deutschland

Der Niedergang von Labour. Die britische Regierungspartei fällt in der Gunst der Wähler immer weiter hinter die Tories zurück. Ein Teil des Problems ist Premier Brown. Seine Landsleute glauben ihm nicht mehr. Frankfurter Rundschau

Zum Staatsgeburtstag an diesem Donnerstag reden die chinesischen Machthaber viel von nationaler Einheit, Harmonie der ethnischen Gruppen und der Notwendigkeit der sozialen Stabilität. Die Beschwörungen haben einen guten Grund, denn im Innern grenzt Chinas Vielfalt an Zerrissenheit. FAZ

Detroit: The Death — and Possible Life — of a Great City Hubris, racial tension, myopic politicians and the woeful auto industry brought this iconic American city to its knees. Here’s how the Motor City can rise again. The first installment of a yearlong look inside the once and future Detroit TIME

The Neocons Make a Comeback Wall Street Journal