Von Boetticher, Eurobonds, Großbritannien & Google

Ein Naivling, umgeben von Erpressern Die Barschel-Affäre, die politische Vernichtung der Heide Simonis – und nun steht Christian von Boetticher da wie ein alberner Sugardaddy. Mit der Beziehung zu einer 16-Jährigen hat Schleswig-Holsteins gescheiterter CDU-Chef einen schwerwiegenden Fehler begangen. Er hätte die Macht und die Pflicht gehabt, eine Jugendliche zu schützen. Aber der Fall ist auch symptomatisch für das vergiftete politische Klima im hohen Norden. In Kiel ist jedem alles zuzutrauen Süddeutsche Zeitung

Boettichers moralischer Fehltritt kein gutes Zeichen Politiker sind gläserne Existenzen. Ihr Beruf ist anspruchsvoll, braucht Format und Ausdauer. Vielleicht gehen daher nicht nur den Konservativen die Talente aus. Die Welt

Nicht geeignet Christian von Boetticher hat die richtige Konsequenz aus seinem Verhalten gezogen. Persönlicher Unreife, die schlecht zum Amt des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten passt, haftete dem Kandidaten an. Kölner Stadt-Anzeiger

Schlichtweg Politik Im Falle von Boettichers wurde das Private zum Maßstab des Politischen, weil er Spitzenkandidat war und, wie er sagte, weil es „objektive“ Gründe gab, dass er erpressbar sei. Doch es gilt auch hier die Regel: Zurücktreten muss nur, wer keine Rückendeckung mehr hat. FAZ

Es ist nicht alles erlaubt Was nicht verboten ist, ist noch lange nicht kulturell legitim taz

Spießig und hinterwäldlerisch Von Boetticher hat sich nichts zuschulden kommen lassen taz

Unter Tränen Angela Merkel will den Fall Christian von Boetticher nutzen, um ihre Prinzipientreue zu beweisen. Anstatt das Privatleben ihres Spitzenkandidaten zu schützen, statuiert sie ein Exempel am falschen Ort. FAZ

Die Tugendwächter In den Vereinigten Staaten sind derlei Episoden an der Tagesordnung: Ein Politiker, bisher stets makellos im Auftritt, ein Vorbild für Jung und Alt, moralisch sauber, oft tiefgläubig und persönlich anscheinend ohne Fehl und Tadel, politisch immer korrekt, kurzum ein Politiker, der unangreifbar ist für Freund und Feind, wird bei einer sexuellen Affäre erwischt. Berliner Zeitung

De Jager – Herr Unauffällig rückt ins Rampenlicht Nach dem Rücktritt von Christian von Boetticher wegen einer Liebesaffäre soll Jost de Jager neuer Parteichef der Nord-CDU werden. Eine Alternative ist nicht in Sicht. Die Welt

Eurobonds

Eurobonds nutzen auch Deutschland Gemeinsame Staatsanleihen für alle Länder der Währungsunion können die Verschuldungskrise langfristig lösen helfen. Es wird höchste Zeit, dass die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung überdenkt – auch mit Blick auf den Steuerzahler. Financial Times Deutschland

Ein unerquickliches Déjà-vu Vier Jahre währt nun die Finanzkrise. Manches ist heute so prekär wie damals. Es gab eine Zeit, da hätten Eurobonds die gemeinsame Währung noch retten können – jetzt nicht mehr. Financial Times Deutschland

Die Eurobonds-Illusion SPD und Grüne rufen lautstark nach der Einführung von Eurobonds. Vielen geht die Vergemeinschaftung der Schulden im Euroraum offenbar gar nicht schnell genug. FAZ

Nicht ohne Parteitag Die CDU ist offenbar doch noch die Europapartei: Von der Kernkraft hat sie sich ganz locker verabschiedet – beim Beugen der Grundregeln der europäischen Einigung befallen sie Skrupel. Mancher traut der Kanzlerin zu, dass sie auch ihre Meinung über Eurobonds noch ändert. FAZ

Eurobonds „kein Thema“ in Paris Wenn am heutigen Dienstag Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Sarkozy über die Schuldenkrise beraten, wollen sie ein Thema nicht ansprechen: Europäische Gemeinschaftsanleihen. FAZ

„Giftpille für die Währungsunion“ Wenn sich am Nachmittag Nicolas Sarkozy und Angela Merkel in Paris treffen, sollen Eurobonds offiziell kein Thema sein. Dabei ist der Streit über die gemeinsamen Euro-Anleihen bereits in vollem Gange. Stern

Der Niedergang der Europäischen Zentralbank Die EZB hat in der vergangenen Woche für die Rekordsumme von 22 Milliarden Euro Staatsanleihen gekauft. Sie missachtet das Verbot der Staatsfinanzierung. Aus der Notenbank ist ein Büttel der Politik geworden. FAZ

Euro-Bonds als Teil der Lösung Noch einmal am Anfang des Schulden-Tohuwabohus zu stehen, wäre erlösend. Griechenland wäre kein Euroland und die Kontrolle der Maastricht-Kriterien besser organisiert. Leider geht das nicht – und deshalb droht nun ein Auseinanderfallen der Gemeinschaft. Tagesspiegel

Brüderle: „Eurobonds sind Zinssozialismus“ Der Streit über Gemeinschaftsanleihen lösen Unruhe in der Koalition aus. Die FDP droht mit dem Ende der Koalition, sollte die Union Eurobonds zustimmen. Dennoch mehren sich in der Union Stimmen, die dies nicht ablehnen. Beim heutigen Treffen zwischen Sarkozy und Merkel sollen Eurobonds offiziell keine Rolle spielen. Das Finanzministerium rechnet dennoch Szenarien einer begrentzen Einführung durch. Rheinische Post

Druck von den Märkten Europa präsentiert sich in der Debatte um die Einführung von gemeinsamen europäischen Anleihen als Hühnerhaufen. Bonner General-Anzeiger

Eurobonds zu deutschen Bedingungen Ohne gemeinsamen Finanzraum kann der Euro nicht funktionieren Augsburger Allgemeine

Europa muss endlich eine politische Macht werden Vertrauen in unsere Währung zu schaffen, ist jetzt das Wichtigste. Wenn nicht jetzt, wann kann man dann auf die notwendige Einsicht in kraftvolle Entscheidungen rechnen? Tagesspiegel

Zurück zur Substanz Das Geld löst sich im Laufe der Geschichte immer weiter von seiner Trägersubstanz und geht in seiner bloßen Funktion auf, so lautet die bekannte Theorie. Das Gold, wie sich in diesen Tagen wieder einmal zeigt, ist darüber erhaben. FAZ

Großbritannien

Autoritäre Reaktion Die britische Regierung erklärt die Unruhen schlicht für kriminell. Sie weigert sich, die sozialen Ursachen zu erkennen – und verschlimmert so die Lage. Frankfurter Rundschau

Cameron spielt für die Galerie Erst versagt die Polizei, jetzt die Politik taz

Eigennutz Dem britischen Premier David Cameron ist angesichts der Ausschreitungen in seinem Land bisher wenig mehr eingefallen, als eine Null-Toleranz-Politik zu propagieren. Dabei ist die Anwendung der polizeilichen und juristischen Möglichkeiten doch eher eine Selbstverständlichkeit. Nordwest Zeitung

Was die Plünderer klauten Zentnerweise schleppten Plünderer in Großbritannien Elektronik aus den Läden, ebenso Kleidung und Schuhe – ausgerechnet von solchen Marken, die mit amerikanischen Gangster-Rappern werben. Auch Durchfallmittel wurden massenhaft gemopst. Plagten den Mob Verdauungsprobleme? Süddeutsche Zeitung

Randale und Aufruhr Erleben wir eine Globalisierung der Randale? Mir drängt sich dieser Eindruck auf, wenn ich die Bilder vom brennenden England sehe. Augsburger Allgemeine

Google

Apple und Google spielen digitales Monopoly Die Übermacht von Apple stören, das ist das Ziel von Google-Chef Larry Page. Mit dem Kauf der Mobilfunksparte von Motorola will er ins lukrative Geschäft der Smartphones einsteigen. Doch der Konkurrenzkampf wird nicht nur auf dem Markt ausgetragen, sondern auch in den Gerichtssälen. Süddeutsche Zeitung

Der gefährliche Spagat des Internetkonzerns Google Mit dem Kauf der Mobilfunksparte von Motorola geht Google ein großes Risiko ein. Einstige Partner könnten sich auf dem Hardware-Markt bedroht fühlen. Die Welt

Google zahlt Schutzgeld in Milliardenhöhe Der Konzern stemmt mit dem Kauf von Motorola die größte Übernahme seiner Geschichte. Dabei geht es weniger um Handys. Die mehr als 12 Mrd. Dollar dienen dazu, Googles Handybetriebssystem Android zu schützen. Financial Times Deutschland

Googles Defensivmanöver Der Kauf von Motorola wird wohl der teuerste in der Geschichte von Google. Der Konzern kann sich das zwar locker leisten, aber 12,5 Milliarden Dollar sind ein stolzer Preis für ein Unternehmen, das seine besten Tage hinter sich hat. Doch Google braucht die Motorola-Patente, um sein Android-Geschäft zu schützen. FAZ

Logischer Schritt Es ist ein logischer Schritt des Internet-Giganten: Google sichert sich durch den Kauf von Motorola Mobility Zugriff auf wichtige Patente. In Wahrheit dürfte es bei der Übernahme langfristig aber noch um etwas anderes gehen. Kölner Stadt-Anzeiger

…one more thing!

CSU findet Oberbürgermeister Ude „unanständig“ Die mögliche Spitzenkandidatur von Münchens SPD-Oberbürgermeister Christian Ude bei der Landtagswahl in Bayern verärgert die CSU. Sein politischer Stil sei „unanständig“. Die Welt

Leitartikel

Warum Deutschland zahlen muss Die Einführung von Euro-Bonds wäre eine Zäsur, die mit dem Glauben bricht, dass jeder Staat für seinen Schlendrian selbst geradestehen muss. Doch Bundeskanzlerin Merkel hat keine Alternative: Deutschland muss für die Schulden anderer EU-Staaten haften. Andernfalls zerbricht der Euro. Süddeutsche Zeitung

Der unterschätzte Hunger So wichtig Hilfe für Ostafrika ist: Um Katastrophen solchen Ausmaßes gar nicht erst entstehen zu lassen, braucht es eine Entwicklungspolitik mit langfristigen Perspektiven Die Welt

Britische Kontraste Die britische Politik richtet ihr Augenmerk kaum auf überwölbende Gemeinschaftswerte wie soziale Gerechtigkeit. Sie agiert pragmatisch und ist deshalb widersprüchlich. Aber auch flexibel. FAZ

Bodenständige CDU Wird in der Politik das Private lanciert, wird’s meist schmutzig. Und penetrant schlüpfrig, falls dann noch Liebe mit im Spiel ist. So hat Schleswig-Holstein jetzt sein „Sexgate an der Waterkant“ und Christian von Boetticher seine verhängnisvolle „Lolita-Affäre“. Financial Times Deutschland

The west’s crisis of honest leaders Their fundamental task is to reconcile electorates to accepting less of everything than they have had in the past. Financial Times

The right candidate Rick Perry’s entry into the presidential race, and Pawlenty’s withdrawal, are linked by the fact that President Obama is very beatable. Los Angeles Times

Just Say No! New research shows how some common tests and procedures aren’t just expensive, but can do more harm than good. Newsweek