Wahlkampf, Mollath, NSU-Prozess, Ungarn & Doping

Rot-Rot-Grün, das Phantom der deutschen Politik In großer Eintracht sorgen Politiker von Union, FDP und Linkspartei dafür, dass unablässig über Rot-Rot-Grün gesprochen wird – als ob diese Koalition eine reale Option ist. Das Gerede darüber zeugt von großer Heuchelei auf allen Seiten. Süddeutsche Zeitung

Warum gerade jetzt? Den Volksparteien laufen die Mitglieder davon, den Kleinen geht es kaum besser. Trotzdem gibt es junge Menschen, die sagen „Jetzt erst recht“ – und in eine Partei eintreten. Warum, haben sie Handelsblatt Online erzählt. Handelsblatt

Hasenfüße erringen nie die Macht Wo bleibt der Machtwille des linken Lagers, die denkbare rechnerische Mehrheit nach dem 22. September als Hebel zu nutzen, um Merkel aus dem Amt zu kippen? Das Mittel dazu gibt es. Es ist die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung. Berliner Zeitung

Merkel wird es richten müssen Wenn es nach der Wahl weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb reicht, ist Deutschland im Grunde nicht regierbar. Denn alle anderen Optionen hat irgendwer schon ausgeschlossen. Dahinter steckt die Angst der Parteien, sich ansonsten kaum mehr zu unterscheiden. Süddeutsche Zeitung

Was macht eigentlich Peer Steinbrück? Claus Richter und Thomas Fuhrmann schauen sich fürs ZDF den Wahlkampf des SPD-Kandidaten an, die Wertung überlassen sie am Ende aber dem Zuschauer. Gut so. FAZ

Der verunsicherte Kandidat Die Wortgewalt des SPD-Kanzlerkandidaten könnte schärfstes Schwert im Wahlkampf sein. Bislang ist sie sein größter Fallstrick. Ein sehenswertes ZDF-Porträt zeigt einen verunsicherten Peer Steinbrück. stern

Das Europa der Angela Merkel Peer Steinbrück meint, Angela Merkel stehe dem Projekt Europa distanziert gegenüber, weil dieses Europa in der DDR, wo sie aufwuchs, kein Thema war. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hält das für eine Beleidigung von Millionen ehemaliger DDR-Bürger. Gerd Appenzeller plädiert für verbale Abrüstung. Tagesspiegel

Gustl Mollath

Aus dem Dickicht Es ist bedauerlich, dass sich Richter im Fall Mollath heillos im juristischen Unterholz verirrt haben. Aber Richter sind es auch, die den Weg aus dem Dickicht bahnen. FAZ

Kein Anlass zur Beruhigung im Fall Mollath Die Jahre in der Psychiatrie sind für Gustl Mollath unwiederbringlich verloren. Keine Entschädigung kann sie ihm ersetzen. Höchste Zeit also für die angekündigte Reform des Strafrechts sein. Frankfurter Rundschau

Ein neues Leben für Gustl Mollath Sieben Jahre war er gegen seinen Willen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Jetzt darf er gehen – und weiß gar nicht, wohin. ZEIT

Genau hinsehen statt vorschnell urteilen Die Justizfehler im Fall Gustl Mollath sind skandalös. Doch ob das fehlerhafte Urteil von damals wirklich ein Fehlurteil war, ist offen – möglich ist auch, dass damals schlicht ein Wahnpatient auf seine Frau losging. Tagesspiegel

Skandal-Korrektur Völlig unabhängig von der abschließenden Wahrheitsfindung im Fall Mollath: Es handelt sich um einen der gravierendsten Justizskandale in der deutschen Rechtsgeschichte. Auf der wackligen Basis von nicht nachgewiesenen Anschuldigungen, die dem Angeklagten eine paranoide Denkstruktur bescheinigten, wurde der Mann in die Psychiatrie geschickt. Bonner General-Anzeiger

Die zynischen Sätze der Beate Merk Gustl Mollath ist frei. Und die bayerische Justizministerin reklamiert für sich, den „entscheidenden Schritt“ getan zu haben. Beim Blick auf die bisherige Rolle Merks in dem Justizdrama wirkt das zynisch. Süddeutsche Zeitung

NSU-Prozess

NSU-Prozess macht Pause Sommerpause im NSU-Prozess – Zeit für einen Zwischenbericht. Das Gericht hat nicht nur eine Aufgabe, es muss sich gleich dreien stellen. Und das bewerkstelligt es besser, als Beobachter zu hoffen wagten. Frankfurter Rundschau

Phantome auf Fahrrädern Am letzten Verhandlungstag vor der Sommerpause schildert ein Beamter im NSU-Prozess, wie die Ermittler die verschiedenen Zeugenaussagen rekonstruierten und sich ein recht stimmiges Bild ergab. Nun wird deutlich, wie dicht die Polizei den Tätern auf den Fersen war. Süddeutsche Zeitung

Rasant in Richtung Wahrheit Zwischenbilanz im NSU-Prozess: Im Vorfeld hagelte es Kritik am Oberlandesgericht München, doch Richter Götzl hat das Mammutverfahren fest im Griff. Eine Frage beunruhigt zusehends: Hatte das braune Trio mehr Helfer als bislang bekannt? SPIEGEL

Inzwischen auch Selbstverteidigung Beate Zschäpes Anwältin Anja Sturm sieht sich mit Vorhaltungen konfrontiert – zum Teil sind sie abwegig. Die Öffentlichkeit kann brutal sein. Die Anwältin ist vorsichtig geworden. FAZ

Ungarn

Zweifel an Ungarn bleiben Nach der Mordserie an ungarischen Roma sind vier Männer zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Ungarn stehe auf der Seite der Opfer, behauptet die Regierung in Budapest und lobt sich selbst. Zu Unrecht. Süddeutsche Zeitung

Rechtsradikale Roma-Mörder bedauern nichts Wegen der Ermordung von sechs Roma hat ein Gericht in Budapest drei Männer zu lebenslanger Haft verurteilt, ein Komplize bekam eine Haftstrafe von 13 Jahren. Aber einige Täter sind bis heute nicht gefasst. Tagesspiegel

„Ein Zigeunerleben ist nicht so viel wert“ Können die Roma mit dem Urteil gegen vier Rechtsradikale zufrieden sein? Ja und nein, meint der Bürgerrechtler Aladár Horváth: Die Höhe der Haftstrafen sei der Schwere der Mordserie angemessen – doch Gerechtigkeit sei noch lange nicht erreicht. SPIEGEL

„Wir Ungarn schweigen gerne“ Heute fällt das Urteil im Prozess um die Mordserie an Roma in Ungarn. Die Journalistin Szilvia Varró sagt, wie sie mit einem Filmprojekt die Gesellschaft aufrütteln will. ZEIT

Wie rechtes Gedankengut Ungarns Politik durchsetzt Das Urteil nach der Mordserie an ungarischen Roma zeigt: Die Justiz greift bei rassistisch motivierten Verbrechen durch. Dennoch schwelt in Ungarn eine gefährliche Stimmung aus Rechtsextremismus und Fremdenhass. Ihr wichtigster Protagonist ist der Vorsitzende der Jobbik-Partei, Gábor Vona. Doch auch Ministerpräsident Victor Orbán hat damit zu tun. Die wichtigsten Aspekte im Überblick Süddeutsche Zeitung

Stadtverwaltung sperrt Wasserversorgung für Roma Im ungarischen Odz hat ein Roma-Armenviertel trotz Sommerhitze kein fließendes Wasser mehr – angeblich weil die Bewohner das Wasser verschwenden würden. Oppositionspolitiker sind empört. Die Welt

Doping

Größer, besser, ewiger! Wir optimieren uns zu Tode Die Doping-Studie enthüllt: Auch in der alten Bundesrepublik wurde mit Medikamenten nachgeholfen. Doch kaum einer regt sich darüber auf. Es wird Zeit, grundsätzlicher über den Sport zu diskutieren. Die Welt

Brisante Fragen an Genscher und Bach Teile der großen Doping-Studie sind nun öffentlich, aber aus dem ursprünglichen Bericht fehlen etliche Passagen. Darin geht es zum Beispiel um die Rollen der langjährigen Bundesminister Hans-Dietrich Genscher und Wolfgang Schäuble sowie des deutschen Spitzenfunktionärs Thomas Bach. Warum wurden die brisanten Stellen gekürzt? Süddeutsche Zeitung

Aufklärung light Die Studie über Doping in der BRD ist nur zum Teil öffentlich. Statt aufzuklären, setzt Minister Friedrich die Strategie der Vertuschung fort. ZEIT

Der Athlet als Medaillenknecht Während sich die Unterschiede in der staatlichen Beteiligung am Betrug aus den jeweiligen politischen Systemen ergaben, war sich waren sich die Dopingsysteme in der DDR und der Bundesrepublik in der Mentalität sehr ähnlich. – und hatten die gleichen Opfer: die Athleten. Tagesspiegel

…one more thing!

Anstiftung zur Altersarmut Statt konsequent die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, gibt der Staat Milliarden für das Ehegattensplitting aus. Alleinverdiener-Ehen werden dadurch privilegiert. Das ist verfassungswidrig und wirkt sozialpolitisch verheerend. Süddeutsche Zeitung

Leitartikel

Deutsche Kleinstaaterei Angesichts der Finanzprobleme vielerorts werden Länderfusionen gefordert. Doch Größe garantiert keine Solidität. Bremen oder das Saarland müssen nicht abgeschafft, sondern steuerpolitisch selbstständig werden Die Welt

Die im Dunkeln sieht man nicht Der Fall des Gustl Mollath gilt vielen Bürgern als Beispiel für die Verkommenheit der deutschen Justiz. Doch jetzt zeigt das Oberlandesgericht Nürnberg mit seiner Entscheidung, dass genau diese Justiz zur Selbstkorrektur in der Lage ist. Allerdings bleibt festzuhalten, dass Mollath wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit auch nach sieben Jahren weiterhin in der Psychiatrie sitzen würde, wenn der öffentliche Druck nicht so gewaltig gewesen wäre. Süddeutsche Zeitung

Ein veraltetes Gesetz Gustl Mollath kommt frei. Das ist eine gute Nachricht. Für ihn selbst, aber auch für Bayerns Bürger und ihr möglicherweise beschädigtes Vertrauen in den Rechtsstaat. AZ München

Mitreden, aber nicht mitwählen Nur 5,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund durften an der letzten Bundestagswahl teilnehmen – dabei leben in Deutschland 15 Millionen. Auch unter den Kandidaten sind Migranten deutlich unterrepräsentiert. Berliner Zeitung

Bürgerblinde Politik Die Politik macht gerne Haustürwahlkampf. Sie sucht den Bürger auf dem Klingelbrett. Doch mancher hat gar keine Klingel mehr. BILD

SPD, Linke und Grüne wollen Überschüsse verschleudern Der Hauptstadt geht es finanziell endlich wieder besser, die Halbzeitbilanz 2013 stimmt hoffnungsfroh. Jetzt muss sich Berlin weiter in diese Richtung bewegen – doch manche Parteien wollen lieber die eigene Klientel bedienen. Tagesspiegel

Späte Entdeckung Washington hat die Brisanz des Konflikts in Ägypten erst jetzt entdeckt und mobilisiert nun alle Kräfte, um Schlimmeres zu verhindern. Kontinuität sieht anders aus. FAZ

China-Blase vor dem Platzen? Während im Westen die Banken ihre Risiken mit immer höherem Eigenkapital unterlegen müssen, blähen sich Chinas Institute auf. Ökonomen fürchten eine Kreditkrise. Doch eine aktuelle Studie kommt zu einem anderen Schluss. Handelsblatt

Daring to Fail Now showing: “When the Necessary Met the Impossible.” New York Times

Keep al-Qaeda’s threats in perspective Our view: Violence gets it attention but is also its weakness. USA Today

Tapping al-Qaeda communications Other views: A roundup of opinion online about the U.S. embassy closings and travel alert. USA Today