Antiterrordatei, Hoeneß, Italien & Twitter

Zeichen gegen die Terrorisierung des Rechts Das Karlsruher Urteil gegen die Antiterrordatei hätte noch schärfer ausfallen müssen, doch sein grundsätzlicher Charakter ist ein Segen: Es festigt das Gebot der Trennung von Polizei und Geheimdienst und erinnert daran, dass man den Rechtsstaat nicht vor dem Terror schützen kann, indem man die Regeln des Rechtsstaats langsam auflöst. Solche Versuche gab es in jüngerer Zeit viele. Süddeutsche Zeitung

Das letzte Wort Karlsruhe setzt der Antiterrordatei und dem Europäischen Gerichtshof Grenzen. Die Verfassungsrichter wehren sich gegen die Allzuständigkeit Europas und wollen weiter das letzte Wort haben. FAZ

Zusammenarbeit ist nicht verfassungswidrig Die Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat zur Antiterrordatei ein ausgewogenes Urteil getroffen und gezeigt, wie dankbar Politik und Gesellschaft der Instanz sein müssen. Frankfurter Rundschau

Die Korrektoren aus Karlsruhe Einem Gesetz grundsätzlich zustimmen, aber Auswüchse verhindern – nach diesem klassischen Schema haben die Karlsruher Richter auch in Sachen Anti-Terror-Datei wieder entschieden. Doch diesmal enthält das Urteil viel mehr als Korrekturen im Detail. Süddeutsche Zeitung

Kein Krieg gegen den Terror Terrorangriffe sollten kein Ausnahmezustand sein. Dieser Gedanke ist wichtig, falls es in Deutschland zu einem größeren Anschlag kommen sollte. taz

Ja, aber… Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist zufrieden. Und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist es auch. Wohl gemerkt: mit ein und demselben Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Bonner General-Anzeiger

Schutz der Ahnungslosen Sollten die persönlichen Daten des ahnungslosen Pizzaboten, der im Jahr 2007 die Rechtsextremistin Beate Zschäpe belieferte, in einer Anti-Terror-Datei gesammelt werden? Und wären seine anderen Kunden dann auch gleich in das Verzeichnis aufzunehmen, weil von ihnen eine mögliche Gefahr ausgeht? So, wie das Anti-Terror-Gesetz bisher angelegt war, lautet die Antwort auf die fiktiven Fragen „Ja“. Märkische Allgemeine

Ungutes Gefühl Die Bekämpfung des Terrorismus ist ein wichtiges Ziel, sagt das Bundesverfassungsgericht, wer möchte da widersprechen. Nordwest Zeitung

Richter sollten durch ihre Urteile sprechen Der Präsident des Verfassungsgerichts ist nicht Reservekanzler und nicht Reservebundespräsident. Der Innenminister hat Recht, wenn er sagt: Wer Politik machen will, sollte in die Politik gehen. Tagesspiegel

Speicherung als Gewinn Das Wochenende in Paris, der Trip nach London, das gebuchte Hotel – alle diese Informationen würden künftig von jedem Fluggast gespeichert, wenn das Europäische Parlament die Pläne der Kommission inklusive der Erweiterungsvorschläge des Europäischen Parlaments billigt. Jetzt wurden sie zwar (noch) nicht gestoppt, sondern nur ausgebremst. Bonner General-Anzeiger

Hoeneß

Casino Global Nike sprach von einem „Krieg ohne Kugeln“. Im Jahr 2001 stach Adidas den Konkurrenten im Kampf um das Trikot und die Schuhe bei Bayern München aus. Und Uli Hoeneß erhielt 20 Millionen Mark Spielgeld. Rekonstruktion eines Bombengeschäfts. Süddeutsche Zeitung

Schäuble bezeichnet Hoeneß als „bedauernswerten Einzelfall“ Wie soll Deutschland mit Steuerkriminellen umgehen? Der Fall Uli Hoeneß bringt das Thema Steuergerechtigkeit auf die Tagesordnung des Bundestags. In einer Aktuellen Stunde drischt die Opposition auf die Regierung ein. Finanzminister Wolfgang Schäuble keilt zurück, verliert sich aber dann in Verfahrensfragen. Die Debatte zum Nachlesen. Süddeutsche Zeitung

Regierung nennt Fall Hoeneß „Einzelfall“ Mit Uli Hoeneß ist eine Ikone des Fußballs über ein Schweizer Konto gestürzt – nun kursieren zahlreiche Vorschläge, Steuerhinterziehung strenger zu ahnden. Doch Schwarz-Gelb will nichts davon wissen. stern

Keine Rückendeckung von Sponsoren Nach seiner Selbstanzeige erhält der Bayern-Präsident offenbar keine Rückendeckung von Adidas, Audi und Volkswagen. Ein Mitglied der Regierungskommission Deutscher Governance Kodex legt Hoeneß sogar den geordneten Rückzug nahe. FAZ

SPD will Steuerbetrüger-Amnestie abschaffen Wenn Steuerbetrüger sich selbst anzeigen, dürfen sie auf Strafbefreiung hoffen. Sozialdemokraten und Linke wollen das ändern, doch die Regierung verteidigt die Regelung. Berliner Zeitung

Sinn und Vernunft der Steuern Steuern mögen unsereinem beim Blick auf die Lohnabrechnung manchmal verrückt vorkommen. Sie sind jedoch als Gebot der Vernunft entstanden. Sie haben, seitdem wir in einer bürgerlichen Demokratie leben, aber auch eine moralische Komponente entwickelt. WAZ

Sagt uns, was mit unserem Geld passiert Die Steuermoral hängt vor allem von der Steuerpsychologie ab: Bürger, die das System ungerecht finden oder glauben, der Staat verschwende ihr Geld, zahlen weniger bereitwillig. Ein paar Ideen für eine Gesprächstherapie zwischen der Bundesrepublik und ihren Finanziers. Tagesspiegel

Abzocker-Debatte in der CSU Und das mitten im Wahlkampf: Der Landtag gerät während der Diskussion um die Beschäftigung von Familienangehörigen in Aufruhr – wegen der Abkassierer-Debatte der CSU. Für Fraktionschef Schmid wird es heikel, weil er seiner Ehefrau als Sekretärin bis zu 5500 Euro zahlte. Horst Seehofer windet sich. Süddeutsche Zeitung

Italien

Napolitanos Meisterstück Man muss Präsident Napolitano preisen: Er setzt die Demokratiemaschine wieder in Gang, die die Parteien mit ihrer Sturheit blockieren. Zwar ist unklar, ob der als Regierungschef vorgesehene Sozialdemokrat Letta erfolgreich ist. Aber besser, als es Napolitano getan hat, hätte ihm niemand den Weg ebnen können. Süddeutsche Zeitung

Letta gibt den jungen Italienern Hoffnung Völlig ohne Führung trieb Italien in den letzten beiden Monaten durch die Krise. Dabei braucht vor allem die Jugend endlich ein Aufbruchssignal, dass ein Ende der Misere in Sicht ist. Die Welt

Gespaltenes Land Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano hat den moderaten Sozialdemokraten Enrico Letta mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Die Entscheidung ist ein Experiment. Die politischen Kräfte, die sich im Wahlkampf bis aufs Blut bekämpften, sollen nun Reformen voranbringen. Bonner General-Anzeiger

Nervenstarker Problemlöser Für die Politiker von Berlusconis Partei war Enrico Letta stets einer der vertrauensvollen Ansprechpartner der Sozialdemokraten. Nun wird Letta Italiens zweitjüngster Regierungschef. FAZ

Twitter

Maschinen an der Macht Die automatische Analyse von Nachrichten ist ein Millionen-Geschäft. Denn auch bei der Interpretation von Meldungen entscheiden an der Börse Nanosekunden. Eine Falschmeldung zeigt, welche Nebenwirkungen das haben kann. Handelsblatt

Wenn Computer auf Tweets reinfallen Explosive Mischung: Eine Falschmeldung über Detonationen im Weißen Haus lässt Computer an den Börsen ausrasten. Hacker hatten den Twitter-Account der Nachrichtenagentur AP gekapert – der Vorfall setzt den Kurznachrichtendienst unter Druck, endlich mehr für die Sicherheit zu tun. Süddeutsche Zeitung

«Twitter-Börsen» werden automatisch zu «Zitter-Börsen» Wer wissen will, wie die Finanzmärkte heutzutage funktionieren, braucht nur einen Blick in die USA zu werfen. Dort führte jüngst eine Meldung vom sozialen Netzwerk Twitter zu Turbulenzen an den Aktienmärkten. NZZ

Twitter-Hack lässt Kurse kurzfristig einbrechen Der Hack eines Twitter-Accounts und ein gefälschter Tweet haben an den US-Märkten am Dienstag zeitweise 200 Milliarden US-Dollar an Wert vernichtet. Der Vorfall unterstreicht eindrucksvoll die Anfälligkeit der Finanzmärkte, die sich auf elektronische Handelsprogramme verlassen, die ohne menschlichen Einfluss Aktien kaufen und verkaufen. Wall Street Journal

USA diskutieren nach Attacke auf Twitter über Sicherheit im Netz Nach dem Twitter-Zwischenfall der Nachrichten-Agentur AP wird in Amerika der Ruf nach mehr Kontrolle in der digitalen Kommunikation lauter: Unbekannte hatten das AP-Konto gehackt und vermeldet, US-Präsident Obama sei bei Explosionen verletzt worden. WAZ

…one more thing!

Warum der „Stern“ die Hitler-Tagebücher kaufte Am 28. April 1983 veröffentlichte der „Stern“ die „Hitler-Tagebücher“. Es war kein Zufall, dass das Magazin, das so progressiv sein wollte, auf die Fälschungen von Konrad Kujau hereinfiel. Die Welt

Leitartikel

Heile Fußballwelt mit Haken In der Politik ist der Fußball derzeit präsent wie selten zuvor, er ist eine Art Staatsschauspiel. Parteien streiten sich über den Fall Hoeneß, Fans politisieren sich wegen des Götze-Coups der Bayern. Im Jahr 2013 ist der Sport längst ein Kommerzphänomen – er ist die Beute von Leuten, die mit ihm glänzen und an ihm verdienen wollen. Süddeutsche Zeitung

Selbstanzeigen sind lukrativ, aber ungerecht Steuerbetrüger können sich bisher durch Selbstanzeigen Straffreiheit kaufen. SPD und Grüne wollen das jetzt begrenzen. Das klingt gerecht, ist aber riskant. ZEIT

Darf der Staat das? Geld oder Gerechtigkeit? Spatz in der Hand oder Taube auf dem Dach? AZ München

Keine Extra-Wurst für Hoeneß Wer ist der größere Gauner: Der Hartz-IV-Empfänger, der Buchhalter oder der Spekulant? BILD

Was Frauen wollen Heute ist Girls‘ Day. Und wieder einmal wird er nur wenigen Mädchen Lust auf einen Beruf in einer Männerdomäne machen. Feministinnen glauben, das liege an überkommenen Rollenbildern. Stimmt das wirklich? Die Welt

Napolitanos Wahl Enrico Letta ist der Profiteur eines dreifachen Scheiterns und soll den politischen Stillstand in Rom überwinden. Es sieht ganz so aus, als habe Staatspräsident Napolitano nach seiner Wiederwahl einen Plan ausgeführt. FAZ

Eine deutsche Agenda Auch wenn es bisweilen anders klingt: Barroso und Brüssel stellen die Sparpolitik im Kampf gegen die Euro-Krise nicht infrage. Tagesspiegel

Attentat, made in USA Der Bombenanschlag von Boston war nicht das Werk eingeschleuster Schläfer. Nein, die Sprengsätze stammten von Männern, die sich in Jugendjahren scheinbar problemlos in die amerikanische Gesellschaft eingegliedert hatten. Forderungen nach einem Militär-Prozess oder Haft in Guantanamo sind daher gefährlicher Unfug. Frankfurter Rundschau

Boston and the Un-Bush On the Patriot Act, the president is very much his reviled predecessor’s mirror image. Wall Street Journal