Hartz-IV, Dresden, Bundesbank, Ägypten & Italien

Vom Nutzen des Scheiterns. Gabriel hat sich verzockt, die Kanzlerin hat eiskalt gerechnet, Kurt Beck ihren Köder geschluckt. Das, was uns die Politik rund um das Thema Hartz IV in dieser Woche vorgespielt hat, hat alles außer Acht gelassen, was das Lehrbuch für Streitkultur empfiehlt. FAZ

Pflichterfüllung in letzter Minute. Die Bürger sind sie einer Politik überdrüssig, die sie bloß noch als taktisches Spiel um die Macht wahrnehmen. Daher sollten sich alle Parteien bei den neuerlichen Gesprächen über die Hartz IV-Reform zusammenreißen. Kölner Stadt-Anzeiger

Der kastrierte Föderalismus. Die Opposition versucht bei Hartz, Regierung zu sein. Wir schlagen uns wieder damit herum, dass es wenig Sinn ergibt, eine Bundestagswahl zu gewinnen, wenn hernach eine Blockademehrheit im Bundesrat sich als Gegen-Bundesregierung aufführt. Tagesspiegel

Zwei „alte Hasen“ trumpfen mächtig auf. Wie Horst Seehofer und Kurt Beck, die Ministerpräsidenten von Bayern und Rheinland-Pfalz, dafür sorgten, dass das Tauziehen um neue Hartz-IV-Sätze in die nächste Runde geht – und so Arbeitsministerin von der Leyen düpierten. Stern

Keine vorzeitige Hartz-Erhöhung. „Ohne eine ausreichende rechtliche Grundlage können höhere Regelsätze nicht ausgezahlt werden.“ – Mit dieser Aussage hat sich das Bundesarbeitsministerium gegen Pläne gestellt, die Bezüge von Hartz-IV-Empfängern auch ohne ein entsprechendes Reformgesetz vorläufig zu erhöhen. Handelsblatt

Kriegsgedenken in Dresden

Kilometerlanges „Votum für die Demokratie“ Jahrestag der Dresdner Bombennacht: 17.000 Bürger demonstrieren gegen Rechtsextremismus. Auf der anderen Seite marschieren nur ein paar hundert Neonazis. Süddeutsche Zeitung

Menschenkette gegen rechts. Am Jahrestag des Bombenangriffs auf Dresden haben mehr als zehntausend Menschen mit offiziellen, aber auch spontanen Veranstaltungen gegen Neonazis protestiert. taz

Ein Trauerspiel der Extremisten. Die Dresdner müssen damit leben, dass ihre Erinnerung an die Bombennacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 im Chaos enden könnte. Eine Menschenkette als „Schutzwall“ richtet sich gegen Neonazis, die seit Jahren versuchen, den Tag des Gedenkens für ihre Zwecke zu nutzen. FAZ

Eine Kette für Dresden. Es muss andere Wege geben, die Versammlungsfreiheit auch rechtsradikaler Wirrköpfe und die Sicherheit der Stadt zu gewährleisten, als jene in die Illegalität zu zwingen, die aus der Geschichte gelernt haben. Frankfurter Rundschau

Dresden gelingt stilles Gedenken an die Bombennacht. 17.000 Menschen reichen sich am 66. Jahrestag der Luftangriff auf Dresden die Hände – auch als Zeichen gegen Rechtsextreme. Die Welt

Bundesbank

Das große Geld-Theater. Mit Axel Weber ist nicht nur eine Persönlichkeit tragisch gescheitert, sondern auch ein Notenbanker-Typus: der des Anti-Inflations-Falken. Sein Nachfolger wird es schwer haben, denn die Aufgabe der Währungshüter hat sich fundamental verändert. Eine To-do-Liste für den Neuen. Spiegel

Flucht aus der Verantwortung. Mit seinem Rücktritt verweigert Axel Weber, Verantwortung zu übernehmen. Das ist fahrlässig. Gerade weil die EZB zum politischen Werkzeug für die Rettung der Währungsunion geworden ist, hätte er sie zurück auf den Pfad der Tugend führen müssen. FAZ

Weber kommt zurück nach Köln. Der scheidende Bundesbankpräsident Axel Weber hat sich in einem Interview erstmals zu den Beweggründen für seinen Rückzug geäußert. Zugleich wurde bekannt, dass er als Wirtschaftsprofessor an die Uni Köln zurückkehrt. Kölner Stadt-Anzeiger

Weidmann wird wahrscheinlich Weber-Nachfolger. Während der scheidende Bundesbank-Präsident Weber noch seinen Rückzug begründet, wird schon eifrig über seine Nachfolge diskutiert. Aus Koalitionskreisen ist zu hören: Jens Weidmann ist der wahrscheinlichste Kandidat. FAZ

Ägypten

Die Militärmachthaber beginnen mit dem Übergang. Zwei Tage nach der Entmachtung Mubaraks hat der ägyptische Militärrat die Verfassung außer Kraft gesetzt und das Parlament aufgelöst. Bis zur Abhaltung von Wahlen will das Gremium die Macht behalten. Zuvor hatte Ahmad Shafiq, der letzte von Mubarak eingesetzte Ministerpräsident, mitgeteilt, seine Regierung werde bis auf Weiteres im Amt bleiben. FAZ

Ägyptens Militär wird allmächtig. Nach dem Sturz von Präsident Mubarak schafft der Militärrat Fakten: Er löst das Parlament auf und die Verfassung des Landes verliert ihre Gültigkeit. Binnen sechs Monaten sollen Neuwahlen stattfinden. Doch werden die Generäle auf ihre Stellung verzichten? Financial Times Deutschland

Die Zeit der Generäle. Das Militär in Ägypten löst das Parlament auf und setzt die Verfassung außer Kraft. Damit sichert es sich für das kommende halbe Jahr uneingeschränkt die Macht am Nil. Zwar versprechen die Generäle auch, die Verantwortung bald an eine frei gewählte Regierung übergeben zu wollen – doch werden die sie das Versprechen halten? Süddeutsche Zeitung

Die Stunde der Generäle. Es ist in den vergangenen Tagen oft darüber geschrieben worden, dass in Ägypten ein Militärputsch stattfindet, über den sich ein Volk nicht nur freut, sondern den es geradezu herbeigesehnt hat. Tatsächlich aber ist die Machtübernahme der Generäle nichts anderes als ein zerbrechlicher Kompromiss für begrenzte Zeit. Lausitzer Rundschau

Trotzdem – der Weg zu Demokratie und einer pluralen Zivilgesellschaft bleibt lang und steinig für Ägypten. Noch hält das Militär die Schrauben fest angezogen. Noch zeichnet sich keine Übergangsregierung ab, noch ist die Gefahr eines Putsches in Zeitlupe nicht gebannt. Denn die Oppositionsparteien sind schwach und zerstritten. WAZ

Der Tag des Jubels. Das ägyptische Volk hat den Despoten Hosni Mubarak vertrieben. Die Zukunft des Landes ist nun völlig offen. Allein dies aber ist, aller Skepsis zum Trotz, vor allem eine gute Aussicht. Alles ist möglich – genau das macht Freiheit aus. Kölner Stadt-Anzeiger

Ägyptens Wachstum. Das Regime von Husni Mubarak verbesserte das Pro-Kopf-Einkommen seiner Bürger. Die Ägypter scherte das wenig. Denn das Dilemma der Diktatur ist: Sie muss ihre Bevölkerung bilden, wenn sie Wirtschaftswachstum will. Doch sie will dumme Bürger, die nicht revoltieren. FAZ

Mubarak am Freitag aus Ägypten geflüchtet. Husni Mubarak hat den Badeort Scharm-el-Scheich bereits am Freitag verlassen und sich in das Emirat Sharjah am Persischen Golf abgesetzt. Seine Familie soll Ägypten bereits zuvor verlassen haben. Stern

Jetzt beginnt die Jagd auf Mubaraks Milliarden Bild

After the revolution, the ballot box. The job of the generals is to help implement the demands of the people Guardian

From 9/11 to 2/11. In Egypt, a sense of nationhood is forged in 18 days. New York Times

Demonstration gegen Berlusconi

Italiens Frauen begehren gegen Berlusconi auf. Nach Ägypten und Algerien hat ein weiteres Volk genug von seinem Despoten: Italien. Genauer: Italiens Frauen, die zu Tausenden den Rücktritt des skandalumwitterten Premiers forderten. Italien sei kein Bordell – frau hat endgültig genug von Berlusconis Chauvinismus. Financial Times Deutschland

Italiens Frauen fordern Berlusconis Rücktritt Bild

Zur Ehre Italiens. Brava, kann man jeder Demonstrantin in Italien nur zurufen, die gegen den Premier auf die Straße gegangen ist. Das Problem ist, dass Berlusconi sich darum nicht scheren wird. Süddeutsche Zeitung

Land der Herrenwitze. Außen knackig, innen hohl und käuflich sowieso – je jünger, desto besser. Berlusconis Sender und der Premier selbst propagieren diesen tristen Herrenwitz seit Jahrzehnten. Es ist gut, wenn dagegen hunderttausende Italienerinnen und Italiener auf die Straße gehen. Tagesspiegel

… one more thing!!!

Französische Revolution. Frankreich strebt einen Umbruch des Weltwährungssystems an: Die Regierung in Paris will die Zeit freier Wechselkurse beenden und plädiert zudem für einen flexibleren Euro-Rettungsschirm Süddeutsche Zeitung

Leitartikel

Lasst Ägypten nicht allein. Das Militär in Kairo ist den Rufen der Demonstranten nach einem kalten Putsch nur zu gern gefolgt. Ob es auch dem Wunsch nach Demokratie folgt, ist offen. Der Westen muss jetzt dranbleiben Financial Times Deutschland

Von Untertanen zu Bürgern. Die Ägypter genießen die ersten Züge eines Lebens ohne Angst und ohne Willkür. Doch der Weg zu Demokratie und einer pluralen Zivilgesellschaft bleibt lang und steinig. Frankfurter Rundschau

Inspiration für Arabien. Ein Stromstoß geht durch die arabische Welt: Wenn Massenproteste selbst einen Autokraten wie Mubarak zu Fall bringen können, dann kann kein Herrscher sich seiner Sache mehr sicher sein. Ägypten war nach dem Zweiten Weltkrieg die erste säkulare Diktatur in der arabischen Welt. FAZ

Optimismus der Ägypter macht noch viel mehr möglich. Der Sturz Mubaraks setzt ungeahnte Potenziale frei. Der starke Schaffensdrang der Ägypter wird zur wichtigsten Kraft der Veränderung im Land. Die Welt

Der zweite Tod der D-Mark. Der Abgang von Bundesbank-Präsident Axel Weber ist eine Weichenstellung: für den Euro, Inflation und hin zu mehr Umverteilung. Wirtschaftswoche

Es lebe die gute alte Zeit. Mit Peter Alexander ist nicht nur ein großartiger Künstler gestorben. Ein Stück der guten alten Zeit ist tot. Bild

Wenn Ärzte irren – Risiko Fehldiagnose Titelgeschichte Spiegel (Print)

Sex-Report 2011. Wie die Deutschen wirklich lieben Titelgeschichte Focus (Print)

Cheating, Incorporated. At Ashley Madison’s website for „dating,“ the infidelity economy is alive, well, and profitable (Titelgeschichte) Businessweek

Eat The Future. The Republicans face a budget conundrum, and their answer is to sacrifice tomorrow. New York Times

Asia’s New Arms Race. As China grows wealthier and builds up its military, other nations in the region are taking note—and amassing weapons of their own Wall Street Journal

The Pharaoh Is Dead, Long Live the Pharaoh? Foreign Policy

Egypt and the Longue Durée. The world won’t begin to understand the implications of Egypt’s revolution until it stands still long enough to explore the deeper currents of the country’s history, instead of falling for the superficial froth of the news, which insists that the waves move the depths. Foreign Affairs

A marriage of inconvenience. What an Arab democratic spring will mean for America’s relations with the Jewish state Economist