Kieler Koalitionsbruch, Konjunktur, Porsche/VW & Bundeswehr

Die Vorgänge in Kiel beschädigen die politische Kultur in Deutschland. Beide Parteien sollten sich neue Spitzenkandidaten suchen. Ein Neuanfang tut Not. Financial Times Deutschland

Ministerpräsident Carstensen hat die große Koalition in Kiel mit einer Falschaussage beendet. Zu dieser Trickserei passt, dass er sich nun zum Schein von den eigenen Leuten das Vertrauen entziehen lässt. Frankfurter Rundschau

Wenn politische Führung nahezu unmöglich wird: Schwarz-rote Regierungsbündnisse nützen der Union, die SPD wird als kleinerer Partner ausgesaugt. Diese bittere Erfahrung machen die Sozialdemokraten derzeit nicht nur in Schleswig-Holstein. Süddeutsche Zeitung

Carstensen stellt am Donnerstag eine Vertrauensfrage, die überhaupt nicht mehr fingiert wirkt, sondern durchaus berechtigt. Allerdings kann auch die Verzögerungstaktik der SPD nicht überzeugen, sondern stößt eher ab: Bei derart zerrütteten Verhältnissen macht ein Weiterregieren keinen Sinn. Beschädigt wird durch das Gezerre von Kiel nicht nur die dortige Politik: Die Kollateralschäden treffen das Ansehen der Demokratie insgesamt. Nürberger Nachrichten

Trotz lange guter Rahmenbedingungen gilt Schleswig-Holstein keineswegs als Hort von Innovation und Wirtschaftskraft. Carstensens politische Rolle im Bund blieb bescheiden. Er ist sogar umstritten in seiner eigenen Partei – das alles spricht nicht für eine strahlende Wiedergeburt bei der vorzeitigen Wahl. Doch ihn abzulösen und in den paar verbleibenden Monaten einen Nachfolger zu installieren, das dürfte der CDU nicht gelingen. Südwestpresse (Print)

Die Rivalität zweiter Männer, der eigentliche und kindische Grund für das Scheitern der Koalition, darf nicht zum beherrschenden Thema des Wahlkampfs werden. Zu reden wäre vielmehr über das Debakel der HSH Nordbank, wo nicht abzusehen ist, ob weitere Milliardenhilfen des finanzschwachen Bundeslandes nötig sind. Gerade diese Terminlage ist es auch, die Carstensens Spiel als bloße Taktik entlarvt. Handelsblatt

Anders als bei Porsche und VW jedoch könnte es in Kiel passieren, dass CDU und SPD wieder in das Boot steigen müssen, aus dem sie sich gerade schubsen. Das allerdings möchte man weder Carstensen noch Stegner und schon gar nicht den Bürgern Schleswig-Holsteins wünschen. Märkische Allgemeine

Die CDU hat die Neuwahl gewollt, weil sie gut dasteht. Entschieden ist nichts. Denn nach der Kabale beginnt jetzt die Politik, beginnt der Kampf. Thomas Schmid Blog

Der Stein des Anstoßes in Schleswig-Holstein, die HSH-Nordbank, könnte noch tiefer im Schlamassel stecken als bisher bekannt. Wirtschaftswoche

Konjunktur

Die Rezession ist wahrscheinlich vorbei, doch zum Jubeln ist es zu früh. Man darf aufatmen, weil die Talfahrt zur Jahresmitte offenbar beendet worden ist. Die Wirtschaftskrise ist damit nicht ausgestanden. Das Risiko, nochmals abzurutschen, bleibt hoch. FAZ

Das Trendwachstum wird niedriger sein, die Instabilität höher. Diese Wellblechkonjunktur hat unschöne Nebenwirkungen. Unternehmen, die empfindlich in ihrer Planbarkeit gestört werden, sind zurückhaltender – sowohl bei Investitionen als auch bei der Beschäftigung. Handelsblatt

Der steile Aufschwung kommt nicht. Die Finanzbranche und die Weltwirtschaft haben den schlimmsten Absturz hinter sich. Doch wer jetzt an eine rasante Belebung der Konjunktur glaubt, ist ein Fantast. Die kommenden Jahre werden schwer. Financial Times Deutschland

Um die Versorgung der Wirtschaft mit Krediten sicherzustellen, lockert der Bund rückwirkend die Bilanzregeln für Banken. Auch ein weiterer Gipfel steht im Raum. Berichte, wonach der Staat überlegt, den Banken staatliche Hilfe aufzuzwingen und sich im Gegenzug an ihnen zu beteiligen, dementierte das Finanzministerium. Manager Magazin

Nach der Finanzkrise droht eine Überreaktion. Sie könnte zu Protektionismus führen, die globalen Finanzmärkte zum Schaden der Entwicklungsländer lähmen und sinnvolle Innovationen behindern.Handelsblatt

Die BayernLB erwirtschaftet im ersten Halbjahr 2009 einen Gewinn? So mancher wird sich beim Lesen der Nachricht verwundert die Augen reiben. Börsenzeitung

Porsche/VW

Jener Wiedeking, dessen Reputation gerade ruiniert wird, hat in den vergangenen siebzehn Jahren Erstaunliches geleistet. Als er Porsche 1992 übernahm, war die Firma beinahe pleite. Wiedeking krempelte die Produktion komplett um. Er brachte neue Modelle auf den Markt. Er verlieh der matt gewordenen Luxusmarke neuen Glanz. Unter seiner Ägide wurden die Eigentümer, die Porsches und die Piëchs, reich – wir reden jetzt von Milliarden, nicht von Millionen. Und die Beschäftigten hatten sichere Arbeitsplätze. Berliner Zeitung

Als ob der Machtpoker zwischen Porsche und VW nicht schon kompliziert genug wäre, spielen jetzt auch noch die Steuern eine Rolle: Süddeutsche Zeitung

Auch die CDU-Ministerpräsidenten Wulff und Oettinger ringen um Einfluss bei Porsche und Volkswagen. Es geht darum, welches Bundesland sich mit der prestigeträchtigen Marke Porsche schmücken kann. Im Duell der beiden Länder-Regierungschefs machte zuletzt Wulff eine bessere Figur. WAZ

Bundeswehr

400 junge Wehrpflichtige bekennen sich mit einem feierlichen Gelöbnis zu ihren Aufgaben und Pflichten. Es ist gut, dass die Armee ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückt. Doch ihre Auslandseinsätze dürfen nicht nur militärisch wahrgenommen werden. Tagesspiegel

Die Bundeswehr, einst zur Verteidigung heimischen Territoriums gegründet, ist dieser Aufgabe längst entwachsen, obwohl sie die Heimatverteidigung immer noch beherrschen muss. Hindukusch oder Hindelang? Im Zweifel gilt beides. Dies allein schon belegt, wie umfassend die Aufgabe geworden ist. Sicherheit gibt es nicht mehr isoliert in nationalen Grenzen. General-Anzeiger Bonn

Ehrenkreuze, Gelöbnisse – das soll die Bundeswehr in das Bewusstsein der Bevölkerung rücken. Doch das ist nicht das dringendste Problem, was die Soldaten am Hindukusch haben, wie der jüngste Vorfall bei Kundus abermals zeigt. Märkische Oder-Zeitung

Die Bundeswehr hat es in Afghanistan mit einer systematischen Herausforderung zu tun. Die Ereignisse in Kundus, bei denen deutsche Soldaten den Einsatz afghanischer Streitkräfte absichern und unterstützen, ist wohl das erste größere Gefecht nach neuem Muster. FAZ

Teuflische Alternative. Aus Furcht vor einem Angriff mit Opfern in den eigenen Reihen eröffnen Bundeswehr-Soldaten das Feuer und töten einen Zivilisten. Was in Kundus geschah, lässt sich in asymmetrischen Konflikten ohne klaren Frontverlauf wohl kaum vermeiden. Kölner Stadt-Anzeiger

one more thing…

Nach dem Unglück von Menden ist eine Debatte um Fahrtauglichkeit von Senioren entbrannt. Laut Dekra sind ältere Autofahrer in Gefahrensituationen oft überfordert. Der ADAC und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat sind dennoch gegen regelmäßige Pflicht-Tests. NRZ

Leitartikel

Es ist etwas krank in unserem Gesundheitssystem, wenn selbst Ermittler von mafiösen Strukturen sprechen. BILD

Ein unmögliches Zweckbündnis. Die große Koalition in Kiel hat nicht schlecht zusammengearbeitet. Ihr Personal aber ist heillos zerstritten. Vor allem die Personalie Stegner sorgte für große Sprengkraft. Im Osten wäre das wohl kaum passiert – dort agieren schwarz-rote Zweckbündnisse fast geräuschlos. FAZ

Die öffentliche Wahrheit ist eine der wichtigsten Grundlagen der Demokratie. Die öffentliche Lüge erschüttert das Vertrauen in den Politiker, der sie begeht. Hamburger Abendblatt

Deutschland und das Schickedanz-Syndrom: Den Wohlhabenden fehlt das Gefühl für die eigenen finanziellen Verhältnisse – das erschwert die Debatte über Steuergerechtigkeit. Süddeutsche Zeitung

Bei Porsche siegt das Großkapital. Der große Gewinner des geplanten Zusammenschlusses mit Volkswagen wären die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch. Verlierer könnten dagegen die freien Aktionäre sein. Financial Times Deutschland

Das rot-rote Bündnis in Berlin hat kein zukunftsfähiges Konzept, wie man eine Stadt zermürbt. Die Welt

Moskaus neues Taktgefühl. Präsident Medwedew zeigt nach dem Mord an Natalja Estemirowa gutes Benehmen. Das hat der Kreml jetzt fürs Image nötig. Über den Umgang mit Recht und Bürgern sagt es nichts. Frankfurter Rundschau

Gute Idee – langweiliger kann’s eh nicht mehr werden, die ARD traut sich was! AZ München

Rehabilitating healthcare, the reality of rationing. There are limits on care now, and no reform will change that. But that’s not an excuse to do nothing. Los Angeles Times

Obama’s message to fellow Democrats is that the only things they have to fear are the fears and insecurities bred into them when they were a battered minority. Obama is free of those doubts because he never knew them. Real Clear Politics

Why the world needs a United Nations army! The disjointed pirate hunting operation off Somalia and the inadequate forces inside the country show the UN needs to be able to deploy peacekeepers quickly, and that means keeping a force on permanent stand-by. It is time finally to bite the bullet and give the UN a permanent military capacity Financial Times