Regierungsbildung, CDU, SPD & Dresdner Mordprozess

Der Koalitionsvertrag ist unterschrieben. Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und FDP haben den schwarz-gelben Koalitionsvertrag unterzeichnet. Das Bündnis gehe „einen Pfad, der voll auf Wachstum setzt“, kündigte Bundeskanzlerin Merkel an. Die geplante Haushaltspolitik sei „anspruchsvoll und riskant“. FAZ

Koalitionsvertrag – War da was? Noch bevor der Koalitionsvertrag unterschrieben war, stritten Union und FDP um die Auslegung ihrer Beschlüsse. Schon jetzt rächt sich, dass auch nach den Verhandlungen bei den entscheidenden Fragen zu viel offen ist. Financial Times Deutschland

Koalitionsvertrag gegen die Marktwirtschaft. Gutes Regieren kann eine gehörige Portion Kälte vertragen. Noch ist man nicht auf der richtigen Betriebstemperatur angekommen. Die Welt

Wunschehe mit Konfliktstoff. Die große Koalition habe die CDU-Chefin „sozialdemokratisiert“, hat es geheißen. Westerwelle wird noch zu spüren bekommen, dass Angela Merkel sich im Bündnis mit der FDP nicht wandelt. Die Konflikte in der Wunschkoalition sind programmiert. Frankfurter Rundschau

Programmierte Konflikte. Die große Koalition hat die CDU-Vorsitzende und Kanzlerin in den vergangenen Jahren „sozialdemokratisiert“. Guido Westerwelle wird noch zu spüren bekommen, dass Angela Merkel dies auch in der Koalition mit der FDP bleiben will. Kölner Stadt-Anzeiger

Zaudern statt Zauber, Schwarz-Gelb patzt, die SPD zieht daraus keinen Nutzen. NRZ

Vorsprung durch Steuersenkung. Die neue Regierung denkt über Steuersenkungen nach, obwohl die Haushaltslage sich verschlechtert hat. Der Ansatz ist richtig. Wenn die US-Konsumenten kein Geld ausgeben, müssen die Deutschen es tun. Finanziert werden können die Steuererleichterungen durch eine Verkleinerung des großen Regierungsapparates Handelsblatt

Die neue Koalition entlastet die, die ohnehin am wenigsten Steuern zahlen: Geringverdiener, Familien. Das politische Kalkül überlagert das, was eigentlich notwendig wäre. Für besonders geschröpfte Bürger wächst der Reiz, auszuwandern oder kürzerzutreten. FAZ

Sparen eröffne keine Chancen, erklärt Merkel. Und so soll das Minus unter Schwarz-Gelb hemmungslos ausgebaut werden. Jetzt kommt es auf den Bundesrat an, Maß zu halten. taz

Schulden statt sparen. Die neue Regierung hat viel vor. Doch Angela Merkel und Guido Westerwelle machen, was sie den Sozialdemokraten stets vorgeworfen haben. Auch Schwarz-Gelb wird Schulden anhäufen statt zu sparen. Wirtschaftswoche

Alle Schleusen offen. Hans Eichel und Peer Steinbrück hatten wenigstens noch den persönlichen Ehrgeiz, als Schöpfer eines Bundeshaushalts ohne neue Schulden in die Geschichtsbücher einzugehen. Wolfgang Schäuble hat nicht einmal das. Lausitzer Rundschau

Der Koalitionsvertrag, alles andere als ein Dokument des Aufbruchs, ist unterzeichnet. Ab morgen, nach der Wahl der Kanzlerin und der Vereidigung der Minister, beginnt der Regierungsalltag, der schon deshalb spannend und konfliktreich wird, weil über die wichtigsten Punkte – die Zukunft des Gesundheitsfonds und die Finanzierung der Steuerentlastungen – zwischen Union und FDP weiter heftig gestritten wird Nürnberger Nachrichten

Die Gesundheitsprämie hat das Potenzial, zum Gerechtigkeitsdebakel, zum „Hartz IV“ der Unionsparteien zu werden. Die Vorstellung eines gleichen Beitrags völlig ungleicher Beitragszahler stößt sich so sehr mit dem sozialstaatlichen Denken dieser Republik, dass ein sozial gerechter Ausgleich über die Steuern nur schwer glaubwürdig zu machen ist. Tagesspiegel

Der neue Gesundheitsminister Rösler sorgt für Hochstimmung unter Lobbyisten. Aber die Kopfpauschale spaltet die neue Regierung. Sie könnte zum politischen Albtraum werden. Süddeutsche Zeitung

Die doppelte Kanzlerin. Angela Merkel hat ein zweites Alleinstellungsmerkmal: Keinem ihrer Vorgänger war es als Kanzler geglückt, einen Wechsel des Koalitionspartners zu vollziehen und dabei das eigene Amt sogar zu festigen. Doch das könnte sie doppelten Kraftaufwand kosten. FAZ

Westerwelle muss um seinen Platz kämpfen. Egal, was Guido Westerwelle tut, wer künftig Deutschlands Außenpolitik dominieren wird, ist schon jetzt klar: Kanzlerin Angela Merkel. Nach vier Jahren Regierungserfahrung spielt sie in einer anderen Liga. Jedoch muss sich der neue Außenminister nicht nur gegen sie behaupten. Handelsblatt

Natürlich ist denkbar, dass FDP-Chef Westerwelle die Wahrheit gesagt und seine Partei in den Koalitionsverhandlungen alle „Kernforderungen“ durchgesetzt hat. In diesem Falle aber hätte die Stärkung der Bürgerrechte nicht zu den Kernforderungen der Liberalen gehört. Berliner Zeitung

Minister für Abwicklung. Dirk Niebel, der neue Chef im Entwicklungsressort, startet mit einer schweren Hypothek in sein neues Amt. Im Wahlkampf hatte die FDP das Ministerium noch abschaffen wollen. Tagesspiegel

Wenn die vier großen Energiekonzerne den Koalitionsvertrag ernst nehmen, müssen sie sich warm anziehen: Die schwarz-gelbe Koalition meint es nicht gut mit ihnen. In mehreren Abschnitten machen die Koalitionäre deutlich, dass sie die Marktmacht der Großkonzerne brechen möchten. Und das sind wohl keine leeren Ankündigungen Handelsblatt

Um die grundsätzliche Debatte über den Sinn der Wehrpflicht in Zeiten von Auslandseinsätzen hat Schwarz-Gelb sich herumgemogelt. Keiner verliert das Gesicht. Frankfurter Rundschau

Blaupause für den Arbeitsmarkt. In der heißen Phase der Koalitionsverhandlungen ist die Zukunft des Arbeitsmarktes zum Randthema geschrumpft. Im Interesse der Arbeitslosen sollte der neue Arbeitsminister Jung sich von dem Koalitionsvertrag jedoch nicht fesseln lassen. FAZ

Mrs. Merkel Wins, Germany Loses. The German Chancellor is holding back reforms. Wall Street Journal

CDU

Nüchterner Start in die schwarz-gelbe Zeit. Die CDU hat dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Doch auch wenn offene Kritik die Ausnahme blieb: Von Begeisterung war auf dem kleinen Parteitag wenig zu spüren. Die Zeit

CDU-Parteitag, der Schatten von Leipzig Frankfurter Rundschau

Brutus Mappus. Auf Günther Oettinger, einen Ministerpräsidenten ohne Fortune, folgt Stefan Mappus. Er soll der CDU im Ländle die Macht sichern – doch vorher muss er die Partei befrieden. Süddeutsche Zeitung

So wenig Oettinger ein Mann Merkels war, so sehr ist dies nun Mappus
. Er steht ungeachtet seiner erst 43 Jahre für einen knorrigen, konservativen Politikertyp, den es in den ersten Reihen der CDU kaum noch gibt, den sie aber benötigt, um die ganze Breite ihres Spektrums zu bedienen. Das hat allerdings seinen Preis. Es ist recht unwahrscheinlich, dass die CDU ausgerechnet mit einem wie Mappus den prosperierenden bürgerlichen Grünen im Südwesten künftig Einhalt gebieten kann. Berliner Zeitung

Eigentlich galt Peter Müller politisch schon so gut wie tot. Dass er nun wahrscheinlich Ministerpräsident des Saarlandes bleibt und eine Jamaika-Koalition anführt, hat er vor allem den saarländischen Grünen zu verdanken – aber auch geschickten politischen Manövern. FAZ

SPD

Die Neuvermessung der SPD. In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod: Warum der Dritte Weg für die Sozialdemokraten zum Holzweg wurde. Die Welt

Reifenwechsel reicht nicht. Nicht erst seit dem Verlust der Regierungsfähigkeit im Bund ist die SPD in einem bedauernswerten Zustand. Der künftige Vorsitzende, Sigmar Gabriel, beschrieb ihn als „katastrophal”. Und er hat recht. Westfälische Rundschau

Die SPD sucht nach dem desaströsen Abschneiden bei der Bundestagswahl einen Weg aus der Krise. Die Parteispitze um den designierten Vorsitzenden Sigmar Gabriel hat nun einen Leitantrag für den Parteitag im November in Dresden erarbeitet, der dort als Grundlage für Diskussionen mit der Basis über die Zukunft der SPD dienen soll. Parteilinke arbeiten an einem alternativen „Basis-Ratschlag“ Lausitzer Rundschau

Dresdner Mordprozess

Recht statt Rache im Fall Marwa. Nach dem Mord an Marwa El-Sherbini in Dresden überschlagen sich die Forderungen nach einem harten Richterspruch. Das Gericht muss klarstellen, dass es nicht um einen politischen Prozess geht, sondern um ein Strafverfahren. Die Welt

Hatun und Marwa. In Dresden wird über einen Mord aus Muslimenhass verhandelt. Eine Debatte wäre nötig, welches Meinungsklima die Tat begünstigt hat. taz

Warum darf die Bestie so in den Gerichtssaal? 1. Tag im gefährlichsten Prozess des Jahres BILD

Klar und gefasst hat der Ehemann der ermordeten Ägypterin den Hergang der Tat geschildert. Dem Angeklagten wurde blanker Hass auf Nichteuropäer und Moslems vorgeworfen. In Ägypten wird der Prozess aufmerksam verfolgt. FAZ

Alex W. wird beschuldigt, die Ägypterin Marwa al-Schirbini in einem Dresdner Gerichtssaal mit einem Küchenmesser brutal getötet zu haben, aus blankem Hass auf Muslime. Zum Prozessauftakt verweigerte er jegliche Kooperation – sein Verteidiger schockierte mit fragwürdigen Einlassungen. Der Spiegel

Hass auf Muslime.
Nicht Kopftücher und fromme Muslime sind das Problem dieses Landes – sondern der ressentiment- bis hassgeladene Blick auf sie. Die Zeit

Trial of Marwa Al-Sherbini’s killer opens under tight security Daily News Egypt

…one more thing!!

Die Wurzeln des Bösen. Eine Gedankenreise in die Vorgeschichte unserer Art zeigt, was uns zu Menschenfeinden macht. Die Zeit

Leitartikel

Schwarz-Gelb weicht aus. Glanzvoll war der Start der neuen Koalition aus CDU/CSU und FDP nicht gerade. Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel erhielt zwar am Montag die erhoffte Zustimmung ihrer Partei zum Koalitionsvertrag, doch noch bevor die Tinte darunter trocken war, kam Widerstand aus den unionsgeführten Bundesländern. Börsenzeitung

Lobbyismus statt Wettbewerb, die Schwäche des schwarz-gelben Koalitionsvertrages Die Welt

Kein Gesetz der jüngeren Vergangenheit ist so widersprüchlich: soziale Hängematte und Job-Motor, Bürokratie-Monster und leichte Beute für Abzocker. Hartz IV ist Fluch und Segen. Aber hat jemand eine bessere Lösung? BILD

Keine Panik, erst mal gegen die normale Grippe impfen lassen. AZ München

Eine Frauenquote für Vorstandsposten schadet nicht nur den Frauen – sondern auch den Unternehmen. Den Zukurzgekommenen beizuspringen ist ein antiquiertes Instrument. Nötig sind vielmehr kreativere Ansätze der Frauenförderung. Financial Times Deutschland

Die Qual der Gerechtigkeit. Mit 14 Jahren Verspätung wird Radovan Karadzic in Den Haag der Prozess gemacht. Der Druck auf das Kriegsverbrechertriubnal ist hoch – es braucht einen schnellen Sieg. Süddeutsche Zeitung

Zur Mitte seiner Amtszeit bläst dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy der Wind ins Gesicht. Abnutzungserscheinungen und ein Popularitätsverlust nach zweieinhalb Jahren sind normal, zumal in Zeiten der Wirtschaftskrise FAZ

Der Krieg als Wiedergänger. Die neuen Anschläge im Irak können der Post-Saddam-Republik das Rückgrat brechen. Sie gefährden Obamas Rückzugspläne – jetzt da Afghanistan und Pakistan Priorität haben sollen. Frankfurter Rundschau

Obama is dithering on Afghanistan. Mr Obama must choose a strategy on the war in Afghanistan and persist with it – and to persist with it he must sell it to the American and Afghan people and to the rest of the world. Delay and indecision will make that harder. Financial Times

Trading in ‚cap and trade‘. Focusing on specific industries rather than capping overall emissions work better for modernizing nations, although it may result in higher greenhouse gas levels in developed countries. Los Angeles Times