Regierungsbildung, Hessen, Datenschutz, Ukraine & Willi Brandt

Die Schutzherrin des Status quo Angela Merkel ist zum dritten Mal Kanzlerin, weil den Deutschen Sicherheit über alles geht. Und dem Kanzlerwahlverein CDU Popularität vor Programm. Was aber macht die Partei, wenn ihr Zentralgestirn eines Tages ausbrennt? FAZ

Politikdienstleister warten auf die nächste Krise Ende der Auszeit: Die neue Bundesregierung ist von einer Expertise, um die uns andere beneiden. Doch tiefgreifende Reformen sind nicht zu erwarten. Merkel und Gabriel werden die dicken Bretter meiden. Die Welt

Merkels schwierigste Koalition Die überwältigende Mehrheit täuscht: Angela Merkels dritte Amtszeit wird ihre schwerste. Opportunistische Alleingänge sind passé, die Kanzlerin muss langfristiger denken als je zuvor. stern

Drei Dinge braucht der Minister Frisch vereidigt, aber ahnungslos: Ministerin von der Leyen beschäftigt sich seit wenigen Tagen mit Verteidigungspolitik. Gröhe hat von Gesundheitspolitik kaum Ahnung. Hendricks dürfte Umweltschutz allenfalls von der Mülltrennung kennen. Herrscht blanke Ignoranz in Berlin? Süddeutsche Zeitung

Raus aus der Sackgasse Bei der Kabinettsbildung geht es nicht zuletzt darum, personelle Problemkonstellationen in den Ländern zu lösen. Oft ist der Weg nach Berlin auch ein Ausweg aus personellen Sackgassen. FAZ

Da passt was zusammen Die große Koalition war nicht nur Wunsch der Wähler – auch die Akteure schätzen sich. Das konnte man bei der vorigen Koalition bereits am Beginn nicht mehr sagen. Tagesspiegel

Ein Zweckbündnis auf Zeit Die Große Koalition hat ihre Arbeit aufgenommen, die Kanzlerin und das Kabinett sind im Amt angekommen, Deutschland wird wieder regiert. Und die Voraussetzungen sind gut, das dies ordentlich gelingen kann. Huffington Post

Bündnis der Selbstzufriedenen Irgendwann wird irgendjemand Angela Merkel nachfolgen. Aber nicht 2017. Merkel wird wieder antreten. Sie wird nicht mit der langweiligsten aller Regierungskonstellationen aus dem Amt scheiden. Berliner Zeitung

Das erste Gesetz kostet Bürger und Bund 7,5 Milliarden Die Koalition stoppt die Senkung des Rentenbeitragssatzes. Das kostet die Beitragszahler und den Bund 7,5 Milliarden Euro. SPD und Union wollen Spielraum für neue Leistungen schaffen. FAZ

Und Westerwelle schreibt Autogramme Die Kanzlerin wird beim Amtseid gestört. Die Koalition gönnt sich 42 Abweichler. Die neuen Minister sind noch ungelenk. Eindrücke aus dem Bundestag ZEIT

Westerwelle ist gerührt, Steinmeier macht Außenpolitik Vor vier Jahren musste Steinmeier das Auswärtige Amt an Westerwelle übergeben. Jetzt bekommt er es von ihm zurück. Während sich Westerwelle mit großen Emotionen verabschiedet, stellt Steinmeier seine außenpolitischen Grundlinien auf. Und stichelt kaum überhörbar gegen seinen Vorgänger. Süddeutsche Zeitung

Was läuft da schief? Wir Deutsche schuften wie die Ameisen, wir sparen wie verrückt, aber reich sind wir deshalb noch lange nicht. Das liegt an falschen Sparstrategien. Aber auch an der Politik, die sich für Sparer kaum auszahlt. Handelsblatt

Grün regiert mit Sie galten als Verlierer der Wahl. Doch die Grünen reden künftig nicht nur in Hessen, sondern auch in der Bundespolitik kräftig mit. ZEIT

Hessen

Koalitionsflüsterer Das künftig schwarz-grün regierte Hessen wird zum Gegenmodell zur großen Koalition in Berlin. Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir bereiten die Zukunft vor – auch für den Bund. Damit streben sie unvermittelt in die erste Reihe der deutschen Politik. FAZ

Die Revolution frisst ihre Kinder Nicht nur grüne Veteranen bezeichnen Schwarz-Grün in Hessen gerne als Zeitenwende. Doch das Einzige, das sich verändert hat, sind die Grünen selbst. Sie reden sich die CDU schön – ausgerechnet die männerbündisch verschlossene, biedere hessische Union. Die Grünen haben sich politisch selbst entkernt und stehen in Hessen mit leeren Händen da. Süddeutsche Zeitung

Konservativ gerechnet Zum ersten Mal koalieren die Grünen mit der CDU in einem Flächenland. Am wichtigsten war es für die Grünen, dass die als Vertreter einer soliden Haushaltspolitik erscheinen. Historisch kann man das Bündnis trotzdem noch nicht nennen. Tagesspiegel

Union kontert elegant die Linksöffnung der SPD In Hessen steht die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland. CDU und Grüne wollen den Erfolg des Modells. Besonders der ehrgeizige Tarek Al-Wazir wird das Bündnis nicht aufs Spiel setzen. Die Welt

Hessen wieder vorn Das ist fürwahr ein feines Timing: An dem Tag, an dem in Berlin die schwarz-rote Koalition des Geldausgebens vereidigt wurde, startet in Hessen das Experiment, für das den Bundespolitikern beider Parteien die Fantasie, die Kraft und die Initiative fehlte: Schwarz-Grün. Bonner General-Anzeiger

Koalitionen als politische Experimentierfelder Was im Bund noch scheiterte – die Bildung einer schwarz-grünen Koalition -, ist in Hessen mit dem Abschluss eines Koalitionsvertrages nun auf den Weg gebracht. Damit startet – zunächst auf Landesebene – ein Experiment, Märkische Oderzeitung

Farbenlehre Es wirkte wie ein gezielt gesetzter Dämpfer in Richtung Berlin, den am frühen Morgen der alte und neue hessische Ministerpräsident Volker Bouffier in Wiesbaden verkündete: Wir können auch mit Grün. Nordwest Zeitung

Datenschutz

Politischer Kuhhandel beim Datenschutz Andrea Voßhoff von der CDU soll oberste Datenschützerin werden. Ausgerechnet: Sie stimmte für Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung. Wie soll sie da glaubhaft staatliche Datensammelwut in Schach halten? Handelsblatt

Derzeit nicht erreichbar Andrea Voßhoff hat es als neue Bundesbeauftragte für den Datenschutz doppelt schwer: Sie folgt auf einen profilierten Kopf und hat im Bundestag gleich dreimal für Datenschutzeinschränkungen gestimmt. FAZ

Obamas vergebliche Seufzer Washington wird Berlin wohl keine echte No-Spy-Zusage machen, auch wenn beide Seiten beteuern, dass sie weiter verhandeln. Der Druck auf den Präsidenten steigt. FAZ

Ein Abkommen ohne Wert Es spielt keine Rolle, ob das Anti-Spionage-Abkommen nur ins Stocken geraten oder bereits ganz abgesagt worden ist. Es war ohnehin nur eine Beruhigungspille gegen die Aufregung im NSA-Skandal. Berliner Zeitung

Snowdens Sieg ist Obamas Problem Verfassungswidrig, nutzlos, überzogen: Ein US-Bundesrichter wertet die NSA-Sammlung von Telefondaten als Verstoß gegen Bürgerrechte. Dass ausgerechnet ein von George W. Bush berufener Jurist der Argumentation von Whistleblower Snowden folgt, ist peinlich für Obama. Süddeutsche Zeitung

NSA-Affäre Ein halbes Jahr nach seiner Flucht hat der Ex-Geheimdienstler Edward Snowden Grund zur Genugtuung: Indirekte Rückendeckung erhält er nun auch von einem amerikanischen Bundesrichter. NZZ

Es braucht einen hippokratischen Eid für Techniker Acht Technikfirmen wie Google stellen sich angesichts der NSA-Überwachung auf die Seite der Nutzer, aber das ist nicht genug. Wir müssen über Bürgerrechte im Netz reden. Von Jeff Jarvis ZEIT

Ukraine

Gas gegen Souveränität In der russischen Politik gegenüber Kiew hat es noch nie etwas umsonst gegeben. Das Hilfspaket enthält ganz sicher Zusagen, die der ukrainische Präsident vor den eigenen Bürgern verheimlicht hat. Berliner Zeitung

Pyrrhussieg für Janukowitsch Der Besuch des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch ist ein Erfolg für Kreml-Chef Putin, auch wenn der Gast mit üppiger Finanzhilfe zurückfliegt. Die Ukraine muss Nachteile hinnehmen. NZZ

Diplomatie der offenen Tür Der Westen hat unterschätzt, wie entschlossen Russland um die Ukraine kämpfen würde. Weil Präsident Janukowitsch kaum von seinem Kurs abrücken wird, sollte die EU jetzt vorsichtig vorgehen – und mit den ukrainischen Industriebossen reden. Süddeutsche Zeitung

Russland erkauft sich die Gunst der Ukraine Wall Street Journal

Willi Brandt zum 100.

Die Traditionslinie hält Am Mittwoch wäre Willy Brandt 100 Jahre alt geworden. Er stand für eine Politik, die in die Zukunft blickt – eine Politik, nach der sich die Deutschen heute sehnen. Das hätte Brandt sicher gerne noch erlebt – genauso wie zu sehen, dass seine politische Denkfigur mit vollendet wird von einer christdemokratischen Frau aus dem Osten. Tagesspiegel

Die geplante Republik Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“ bedeutete vor allem: mehr Planung wagen. Das Ergebnis ist ein wachsendes Misstrauen gegenüber der repräsentativen Demokratie – bis weit in die SPD hinein. FAZ

„Den müsste er hinauswerfen!“ Noch immer ranken sich um Willy Brandts spektakulären Sturz im Jahre 1974 viele Legenden. Am Mittwoch wäre er 100 geworden. taz

Willy Brandt, Sozialdemokrat WAZ

…one more thing!

Putins gefährliche Partie Schach mit dem Westen Von Kaliningrad aus richtet Russland Raketen-Systeme auf Polen – um den USA Stärke zu zeigen, die dort ein Raketenabwehrsystem planen. Der Konflikt ist eine Herausforderung für die Bundesregierung. Die Welt

Leitartikel

Der Entrückte Kein Politiker der Bundesrepublik hat solche Emotionen ausgelöst wie Willy Brandt. Seine eigentliche Kraft bestand darin, auf betörende Weise ein vages Gefühl von besserer Zukunft zu nähren Die Welt

Die Kanzlerin genießt und schweigt Angela Merkel hat der SPD viel Raum im neuen Kabinett gewährt. Das geht auf Kosten der CDU und noch ein wenig mehr auf Kosten der CSU. Aber das macht ihr nichts aus. Protest ihrer Partei muss sie nicht fürchten, weil sie als Kanzlerpräsidentin gelassen zusehen kann, wie sich ihre potenziellen Nachfolger abmühen und womöglich scheitern. Süddeutsche Zeitung

Was dieser Regierung fehlt, ist der Widerspruch Die neue Bundesregierung ist zu breit aufgestellt, zu wenig gefährdet, um wirklich gut zu sein. Der Koalitionsvertrag ist ein Schönwetterpapier ohne Hinweis darauf, was es bedeutet, die Zukunft zu gestalten. Länger als nötig sollte diese Koalition nicht regieren. Tagesspiegel

Dreistes Kabinettstück! Das fängt ja gut an: Die GroKo genehmigt sich 33 „parlamentarische Staatssekretäre“ mit einem Monatssalär von 17 500 Euro! Bild

Spionageabwehr Ein „No-Spy“Abkommen zwischen Amerika und Deutschland bleibt eine Illusion. Bei den großen amerikanischen Internetkonzernen aber rührt sich aber etwas. Sie brauchen die Aufträge aus Europa. FAZ

„Wer passiv kauft, muss Mut haben“ Aktiv versus passiv: Seit jeher stellen sich Anleger die Frage, welcher Strategie sie folgen sollen. Geht besser als der Markt? Oder ist nicht mehr drin als der Index? Zwei Experten treffen sich zum Schlagabtausch. Handelsblatt

Secretary Kerry’s Derring-Do There is a lot on the line with relentless campaign underway in the Middle East. New York Times