Ägypten, Wahlkampf, Konjunktur, Italien, Gibraltar & Bahn

Regierung verteidigt Einsatz gegen Mursi-Anhänger Eskalation der Gewalt in Ägypten: Mindest 278 Menschen sind bei der Räumung zweier Protestcamps der Muslimbrüder durch Sicherheitskräfte ums Leben gekommen – Ministerpräsident el-Beblawi hält das Vorgehen dennoch für richtig. In der Nacht galt eine Ausgangssperre, es soll keine größeren Zwischenfälle gegeben haben. Die USA dringen auf die Aufhebung des Notstands. Süddeutsche Zeitung

Handschrift des alten Regimes Die schlimmsten Befürchtungen scheinen sich in Ägypten zu bestätigen: Mit der Absetzung Mursis wollte die Armeeführung dem Land keine zweite Chance für einen demokratischen Neuanfang geben. Frankfurter Rundschau

Die alten Muslimbrüder können nur Untergrund Sie setzen auf die gewaltbereite Provokation. Das mag verständlich sein, klug aber ist es nicht. Am Gespräch mit den Militärs führt kein Weg vorbei. Die jüngeren Muslimbrüder wären wohl dazu bereit. Die Welt

„Opfer wirken mobilisierend“ Nach den jüngsten Gewaltakten werden Mursi-Anhänger erst recht Widerstand leisten taz

Die Muslimbrüder werden überleben Die Demokratie in Ägypten ist tot: Das Militär regiert gegen eine Mehrheit, verfügt über den Ausnahmezustand im Land und liefert sich erbitterte Straßenschlachten mit den Islamisten. Doch klar ist: Die Muslimbrüder werden überleben. Kölner Stadt-Anzeiger

Ein Land versinkt im Chaos Am Abend vor der Räumung war alles ruhig in den Protestlagern der Mursi-Anhänger. Niemand rechnete damit, dass die Polizei so schnell vorgehen würde. Doch dann demonstriert die Staatsmacht Härte und es fließt viel Blut in Kairo. FAZ

Ägyptens blutiger Mittwoch Den Menschen in Ägypten stehen bittere Zeiten bevor. Es gibt keine vernehmbare Stimme der Vernunft, keinen Respekt vor den Interessen des politischen Gegners, keine Kompromissbereitschaft, keinerlei Augenmaß. Ägypten steht vor einem Bürgerkrieg, der das Land zu spalten droht. WAZ

Syrien als Warnung Das Unheil hatte sich schon vor knapp drei Wochen angekündigt, als Ägyptens Militär das Volk aufrief, gegen die Anhänger der Muslimbrüder und ihres gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi auf die Straße zu gehen. Seitdem haben eine Reihe westlicher Politiker durch Besuche in Kairo versucht, mäßigend auf die neue Führung einzuwirken, damit das Land am Nil nicht im Chaos versinkt. Vergeblich. Bonner General-Anzeiger

Die Aufstände stärken auch den Terror Nicht nur in Ägypten: Die Arabellion, der Aufstand in der arabisch-muslimischen Welt gegen jahrzehntelange Despotenherrschaft, ist in ihre postrevolutionäre Phase getreten. Das bereitet den Boden für noch mehr Radialisierung – und das führt eher nicht zu stabilen Demokratien, sondern hat ganz andere Effekte. Tagesspiegel

Die verlorene Unschuld der Armee Das Zerschlagen des Protests der Muslimbrüder markiert eine neue und blutige Etappe in Ägyptens Transformation. Der Ausnahmezustand demaskiert die Armee. NZZ

Rauch, Blut und kein Ende in Sicht Kairo ist im Ausnahmezustand. Gebäude brennen, Verletzte werden auf Schubkarren von der Straße geschafft, vor Angst halb irre Menschen suchen ihre Angehörigen. Doch der Kampf ist noch nicht zu Ende. Ein Führer der Muslimbrüder ruft dazu auf, das Regime zu stürzen und gratuliert den gefallenen Märtyrern – auch seiner eigenen Tochter. Süddeutsche Zeitung

Naiver Westen Es war zum einen ein Gewaltausbruch mit Ansage. Zum anderen markiert das Blutbad in Ägypten das erneute Scheitern westlicher Nahostpolitik. Nordwest Zeitung

Blutbad in Ägypten belastet die Börsen Der Dax startet mit Verlusten. Die blutigen Auseinandersetzungen in Kairo mit mehreren hundert Toten hatten bereits am Vorabend die US-Börsen in die Verlustzone gedrückt. Der Ölpreis steigt. manager magazin

The Problem is Authoritarianism, Not Islam Is Islam fundamentally incompatible with democracy? Events in the Middle East compel us to ask this question again and again – and yet it is a question that obscures more than it illuminates. Project Syndicate

Is This Egypt’s Intifada? The crackdown could usher in the most violent radicalization of the Arab world since the Palestinian uprisings. The Atlantic

Wahlkampf

Denk an Dich, tu Dir was Gutes Ist doch alles prima hier! Das ist die zentrale Botschaft, die Angela Merkel zu Beginn ihrer Wahlkampftour aussendet. Sie appelliert an den Egoismus ihrer potenziellen Wähler und suggeriert: Die Bundestagswahl dient im Idealfall der Optimierung des eigenen Lebensentwurfs. Süddeutsche Zeitung

Merkel und die Tuba Angela Merkel eröffnet im hessischen Seligenstadt den Wahlkampf-Endspurt. Dabei wird ihre einfache Strategie klar: Euch geht’s doch gut, also wählt mich! ZEIT

Für wie dumm hält Frau Merkel ihr Volk? Die Worte der Kanzlerin sind linkisch, hilflos und fahrlässig – der Sprachkritiker Fritz J. Raddatz über die, nun ja, Redekunst der deutschen Regierungschefin Angela Merkel. stern

Spitzenheini und andere Die SPD ist gut fünf Wochen vor dem Bundestagswahltermin dabei, sich selbst zu zerlegen. Die Idee, einen Kleinen Parteitag nahe am Wahltag zu platzieren, bedeutet nichts anderes, als dass die Partei die Wahl abgeschrieben hat. Schon jetzt richten sich die Genossen auf vier weitere Oppositionsjahre ein. Bonner General-Anzeiger

Die Große Koalition ist verhasst – aber wahrscheinlich Die Wähler hätten sie gern, aber die Wahlkämpfer fürchten sie: Eine Koalition von Union und SPD könnte nach der Bundestagswahl ihre Neuauflage erleben. Wirtschaftswoche

Konjunktur

Ächzen und jubeln Man soll diese Zahl nicht größer machen als sie ist – aber auch nicht kleiner: Die Wirtschaft in der Euro-Zone wächst um 0,3 Prozent. Immerhin. Damit ist die Euro-Krise zwar noch lange nicht ausgestanden, aber es ist ein wichtiges Signal. Warum? Weil in der Wirtschaft Hoffnung oft wichtiger ist als Wirklichkeit. Deutschland hingegen könnte bald wieder in der Realität landen. Süddeutsche Zeitung

Magerer Aufschwung Die Wirtschafsleistung ist wieder gestiegen. Es scheint, als habe die Euro-Zone die Rezession hinter sich gelassen. Aber noch fällt das Wachstum gering aus. Berliner Zeitung

Geld klug ausgeben Die Wachstumszahl im zweiten Quartal für Deutschland ist überraschend gut und gibt wieder Anlass zur Hoffnung für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr. Dies hatte nach dem langen Winter und unter anderem angesichts der Euro-Krise zeitweise anders ausgesehen. Börsen-Zeitung

Wenn der Druck sinkt Pessimisten werden die überraschenden 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum in der Eurozone wahlweise als Wahlkampftrick der Bundesregierung oder konjunkturelles Strohfeuer deuten. Sie werden die weiterhin zu hohe Verschuldung vieler Euroländer und die fehlenden Reformen – etwa in Frankreich – anmahnen. Sie werden auf die Gefahren hinweisen, die für eine Exportnation wie Deutschland in der Welt lauern. Bonner General-Anzeiger

Italien

Warten auf Gnade Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano hat sich offiziell zum Fall Berlusconi geäußert – und enttäuscht die Anhänger des verurteilten früheren Regierungschefs. FAZ

Napolitano feuert Warnschuss Richtung Berlusconi Nach der Verurteilung Berlusconis ist Italien im Aufruhr. Wieder versucht Präsident Napolitano, die Wogen zu glätten: Mit einer Warnung an Berlusconi, dem er aber auch ein verstecktes Angebot macht. Die Welt

„Ich begnadige Sie, wenn Sie sich angemessen benehmen“ In einer mit Spannung erwarteten Erklärung zu Silvio Berlusconis Verurteilung wegen Steuerbetrugs erläuterte Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano, dass der frühere Regierungschef den Urteilsspruch akzeptieren muss […] Il Fatto Quotidiano

Gibraltar

Spanien kündigt neue Sanktionen gegen Gibraltar an Spanien verschärft seine Drohungen gegenüber Gibraltar. Das lukrative Bunkering in britischem Gewässer soll mit Geldstrafen belegt werden. FAZ

Ein Felsen Spanien und Großbritannien streiten über Gibraltar. Die einen sind zu schikanösen Verkehrskontrollen übergegangen, die anderen entsenden Kriegsschiffe – eine einzige Posse. FAZ

Das Affentheater um den Felsen von Gibraltar Spanien und England kämpfen beide mit der Krise: Da kommt ein auswärtiger Gegner wie gerufen, um von den innenpolitischen Problemen abzulenken. Spaniens Haltung ist allerdings besonders unglaubwürdig. Die Welt

Kampf um Gibraltar in Brüssel Die schikanösen spanischen Kontrollen an der Grenze zu Gibraltar sind nicht rückgängig gemacht worden. London zeigt sich verärgert und will pikanterweise die EU zu Hilfe rufen. NZZ

Warum Großbritannien so sehr an Gibraltar hängt Wieder einmal nehmen britische Kriegsschiffe Kurs auf Gibraltar. Vor 300 Jahren kam der Felsen zum Vereinigten Königreich, das ihn in vielen Kriegen verteidigte. Darin ging es nicht nur um Macht. Die Welt

„Atavistische Grundstimmung“ Der britische Spanien-Experte Paul Heywood erklärt, warum die Mehrheit der Briten den harten Kurs ihrer Regierung im Streit um Gibraltar unterstützt. Tagesspiegel

Die Bahn

Alle Weichen stehen still Das peinliche Chaos am Mainzer Hauptbahnhof zeigt, wo die Schwachstellen des hochpolierten Konzerns liegen – nämlich in der Infrastruktur. Deshalb ist es überfällig, das Schienennetz von der Deutschen Bahn zu lösen und es in Staatshand zu betreiben. Süddeutsche Zeitung

Bahn stellt Personalpläne auf den Prüfstand Nach dem Debakel von Mainz suchen Bahn und Gewerkschaft nach Lösungen. In nächster Zeit will die Bahnführung mit den örtlichen Betriebsräten im Einzelnen prüfen, ob in den rund 400 Betrieben der Bahn mehr Personal eingestellt werden muss. FAZ

Zu schlank für die Kunden Die Zustände bei der Bahn sind Folge einer Politik, die alles dem Markt überlässt. Getrimmt auf Effizienz, schlank und rentabel, so sollte der Konzern sein. Das Chaos in Mainz zeigt nun aber: Diese Politik funktioniert nicht. Was wir brauchen, ist etwas ganz anderes. Tagesspiegel

Sündenbock Bahnchef Mehdorn Wann immer bei der Bahn etwas schief geht, ist ein vermeintlicher Grund schnell gefunden: Hartmut Mehdorns frühere Börsenpläne. Das glaubt nicht jeder. FAZ

…one more thing!

Total versteuert Die ursprüngliche Begeisterung der Politik für die Finanztransaktionssteuer erlischt langsam. Denn wer sich mit ihr beschäftigt, stößt auf Risiken und Nebenwirkungen. FAZ

Leitartikel

Angst vor dem Bürgerkrieg Brutale Straßenschlachten, viele Tote, zwei unversöhnliche Lager: Die schlimmsten Befürchtungen haben sich in Ägypten bestätigt. Wer in diesem Konflikt politisch „Recht“ hat, spielt keine Rolle mehr. Vieles deutet darauf hin, dass die Unruhen anhalten. Das Land bewegt sich auf eine Vorform des Bürgerkriegs zu. Süddeutsche Zeitung

Militärische Lösung Ägyptens Machthaber haben mit der gewaltsamen Räumung der beiden Protestlager der Mursi-Anhänger den Tod hunderter Bürger in Kauf genommen. Die militärische Lösung ist blutig, eine politische Lösung jedoch in weiter Ferne. FAZ

Sparen ist nicht alles Das Mainzer Debakel der Deutschen Bahn ist exemplarisch: Viele Firmen hierzulande verwechseln Kostenmanagement mit einer langfristig orientierten Unternehmensstrategie Die Welt

Niederlage fest im Blick Die SPD hat die Bundestagswahl verloren gegeben. Franz Müntefering und Sigmar Gabriel ringen darum, wer bei den Aufräumarbeiten die Oberhand behält. Frankfurter Rundschau

Ein guter Zug! Der Stillstand am Mainzer Hauptbahnhof ist ein Desaster. Grube stellt sich selber der Verantwortung und besucht das Stellwerk. BILD

Es gibt keinen Kalten Krieg mehr Das schlechte Verhältnis zwischen Moskau und Washington ist Folge innenpolitischen Kalküls. Mit den Zeiten der Sowjetunion hat es jedoch nichts zu tun. ZEIT

The Soft-on-Security Issue Returns Can liberals be trusted to fight the real world’s threats from urban crime and overseas terrorism? Wall Street Journal