Wahlkampf, Hochwasser, PRISM, Freihandelsabkommen, Aktienmärkte, Türkei, Iran & Mollath

Merkiavelli und die Clowns SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück und Ulrich Beck, Autor der „Risikogesellschaft“, sind sich einig: Merkel muss weg. Das ist wenig überraschend. Interessant ist die Diskussion im Rahmen der SPD-Veranstaltung „Philosophy meets Politics“ dennoch. Geht es doch um die Zukunft Europas – jenseits der Finanzkrise. Süddeutsche Zeitung

Merkel misstraut dem Wähler Die Bundeskanzlerin verspricht wie alle anderen Parteien 100 Tage vor der Wahl das Blaue vom Himmel. Ihr 2005er-Ziel, „ehrlichere Wahlkämpfe“ zu führen, ist passé. Hat Merkel recht: Ist der Ehrliche der Dumme? Wirtschaftswoche

Wahlkampf im Wachkoma Peer Steinbrück erläuterte am Donnerstagabend in der Sendung von Maybrit Illner brav sein Wahlprogramm. Nur was ist eigentlich Wahlkampf? FAZ

„Steinbrück ist ein Nullkandidat“ Linksparteichef Bernd Riexinger spricht vor dem am Freitag beginnenden Parteitag in Dresden über die SPD, den Euro, Gregor Gysi und die Bilanz nach einem Jahr im neuen Führungsduo mit Katja Kipping. Berliner Zeitung

Signal gegen Schwarz-Grün Mit ihrer Themensetzung schränken die Grünen ihre Optionen nach der Wahl deutlich ein – stärken aber zugleich die eigene Durchsetzungskraft. taz

Noch 100 Tage Die Bundestagswahl rückt unerbittlich näher, und selten war sie so fern. Exakt 100 Tage sind es noch bis zum 22. September, doch von Wahlkampfstimmung keine Spur. Von Wechselstimmung schon gar nicht. Die Deutschen, jede Umfrage zeigt das, fühlen sich zumindest erträglich regiert, und keine Ministeraffäre wird daran etwas ändern. Bonner General-Anzeiger

Hochwasser

Solidarität ohne Zuschlag Wer zahlt für die Flutschäden? Eine wichtige Frage. Unverschämt ist aber, mit welcher Selbstverständlichkeit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident eine Anhebung des Solidaritätszuschlags fordert. So verscherzt man sich Solidarität – und zwar die der Steuerzahler. FAZ

Ein Volk der Flutbürger Die Menschen helfen auf den Deichen. Doch um die Finanzhilfen für die Flutopfer könnte es noch politischen Streit geben. Tagesspiegel

Geschacher vor der Hilfe Anhebung des Solidarzuschlags? Streichung von Merkels Wahlversprechen? Das Gefeilsche um die Finanzierung des Flutfonds ist in vollem Gange. Bleibt zu hoffen, dass die Hilfe nicht der Machtpolitik zum Opfer fällt. Kölner Stadt-Anzeiger

Politik steht im Wort Wer schnell hilft, hilft doppelt – so lautet ein englisches Sprichwort. Angemessen rasch haben Kanzlerin und Ministerpräsidenten gestern einen Wiederaufbau-Fonds für die schlimm gebeutelten Flutregionen auf den Weg gebracht. Auch wenn wichtige Details der Finanzierung noch offen sind, ist das ein gutes Zeichen von staatlicher Solidarität. Märkische Allgemeine

Späte Rechnung Die Flutschäden werden wohl nur mit neuen Schulden bezahlt werden. Mitteldeutsche Zeitung

PRISM

Das prächtige neue Gewand der guten alten Wirtschaftsspionage Prism hat gezeigt, dass die Überwachungstätigkeit der amerikanischen Geheimdienste jedes zuvor vorstellbare Maß übersteigt. Aber Europa tut sich schwer, die richtigen Schlüsse aus dieser Entdeckung zu ziehen. FAZ

Wenn der gläserne Mensch Realität wird Die Polizeigewerkschaft sieht die US-Netzspionage als Vorbild für Deutschland. Der Grünen-Europapolitiker Albrecht weist das zurück und erläutert, warum der EU-Datenschutz immer noch löchrig ist. Handelsblatt

Die saure Milch der Dienste Mit geklauten Informationen hat der US-Geheimdienst möglicherweise Attentate verhindert. Doch der Zweck heiligt nicht die Mittel. taz

Keine Privatsphäre ohne Whistleblower Der US-Spionage-Skandal PRISM hat nicht nur gezeigt, dass der amerikanische Nachrichtendienst National Security Agency mit privaten Unternehmen zusammenarbeitet, sondern auch, dass er völlig freie Hand hatte. Wenn die demokratischen Einrichtungen unseren Schutz nicht mehr gewährleisten können, sind Whistleblower die einzige Möglichkeit, die uns noch bleibt, um Spione zur Rechenschaft zu ziehen. The Guardian London

Secrets, lies and America’s spies A government’s first job is to protect its citizens. But that should be based on informed consent, not blind trust Economist

A ‚Rational‘ Defense Against Terrorism? Efficacy matters. So does due process. The Atlantic

Tea party splits on security, civil liberties POLITICO

Pushing the envelope The consequences of Obama forfeiting our trust. Washington Post

The lie of oversight Sen. Ron Wyden on the leaked NSA programs. Washington Post

Poisoned patriots Some on the right go too far in criticizing the NSA. Washington Post

Freihandelsabkommen

EU-Freihandelsabkommen mit den USA wackelt Die Hürden beim globalen Warenaustausch kosten jährlich Milliarden. Ein Abkommen zwischen den USA und der EU würde den Ländern große Vorteile verschaffen. Doch Paris droht, den Vertrag zu kippen. Die Welt

Frankreich kämpft trotzig für Kunst und Kultur Mehr Wachstum, Wohlstand und Wucht versprechen sich Europa und die Vereinigten Staaten von einem Freihandelsabkommen. Doch nun droht Frankreich mit einem Veto – falls Kultur und Medien nicht ausgeklammert werden. Das gallische Dorf verteidigt sein höchstes Gut, die schönen Künste und savoir vivre, gegen das global-kapitalistische Imperium. Süddeutsche Zeitung

Frankreich und seine heilige Ausnahme In Paris ist die «exception culturelle» so etwas wie eine heilige Kuh. Frankreich ist stolz auf seine Oscar-Gewinner Marion Cotillard und Jean Dujardin. So stolz, dass es sogar die Aufnahme der Gespräche über die Freihandelszone zwischen der EU und den USA blockiert. NZZ

Aktienmärkte

Vorbereitung auf den Entzug Die Börsen sind süchtig nach billig zufließendem Geld. Wie bei jeder Sucht kann die Dosis nicht ewig erhöht werden. Deshalb ist es gut, dass die Finanzmärkte nun beginnen, sich auf den Entzug vorbereiten. FAZ

Die erstaunliche US-Stärke rettet die Hausse Die robuste Verfassung des amerikanischen Aktienmarkts hilft europäischen Aktien wieder aus dem Tief – zunächst jedenfalls. Wirtschaftswoche

Ein Vorgeschmack auf die Wende in der Geldpolitik Seit dem 22. Mai ist es vorbei mit dem zuvor monatelang relativ friktionslosen Aufwärtstrend an den Aktienmärkten: Die Unsicherheit ist zurück. NZZ

Bleiben und beten Wir erfinden einfach eine neue Börsenweisheit, um uns wohler zu fühlen: „Stay and pray!“ Bleib und bete! Augsburger Allgemeine

Türkei

Was will Erdogan? Räumung, Rache, Referendum? Die tiefe Unruhe der nach Westen schauenden Jugend sowie die nervöse Hin-und-Her-Politik des türkischen Premiers Erdogan muss die europäischen Freunde der Türkei mit tiefer Sorge erfüllen. Die Welt

Erdogan hat die Wahl Die Art, wie mit den Protestierenden umgegangen wird, entscheidet über den künftigen Weg der Türkei. FAZ

Erdogans perfides Spiel mit Zuckerbrot und Peitsche Nach Tränengas und Lügen jetzt Volksabstimmungen? Der türkische Premier hört den Protestierenden nicht zu, er will sie zermürben ZEIT

Erdogans eleganter Plan Der türkische Premier stellt sich schlau an: Mit seinem Vorschlag, das Volk über den Gezi-Park abstimmen zu lassen, kann er sich demokratisch geben. taz

Der Tränengas-Marsch Sie singen den Tränengas-Marsch, haben ihren eigenen Radio- und Fernsehsender, die Älteren bringen Verpflegung, Prominente unterstützen sie: Die Ungebärdigen der Türkei geben nicht nach FAZ

Iran

Der ewige Provokateur tritt ab Sein außenpolitisches Kerngeschäft war die Provokation, in der Innenpolitik war er unnachgiebig und hart: Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad hat sein Land ruiniert, alle seine Visionen sind geplatzt. Nun steht das Land vor der Wahl, doch egal wer Ahmadinedschad nun nachfolgt, es wird lange dauern, bis sich das Land von seinem Erbe befreit haben wird. Süddeutsche Zeitung

Irans letzte Chance Da sich die Konservativen bekriegen, hofft ein gemäßigter Kandidat, die Präsidentenwahl in Iran zu gewinnen. Die Chancen sind sehr gering – aber einen Kurswechsel hätte das Land bitter nötig. Es ist praktisch bankrott. Handelsblatt

Die Bilanz des politischen Islam ist bislang schlecht Türkei, Iran und Ägypten, alle drei Staaten werden inzwischen unter dem Banner des politischen Islam regiert. Die Grenzen zwischen Staat und Religion sind nicht klar gezogen – doch gerade deshalb lohnt die Einmischung. Tagesspiegel

Iranian Foreign Policy After the Election Realists and Islamic Idealists Face Off Foreign Affairs

Mollath

Freiheitsberaubung durch Unterlassen Im Fall Gustl Mollath liegen offenkundig mehrere Rechtsfehler vor. Nach sieben Jahren in der Psychiatrie bringen die zwei Wiederaufnahmeanträge ein wenig Hoffnung. Doch das zuständige Gericht reagiert seit Monaten nicht darauf und zeigt damit: Es ist nicht unabhängig, sondern taub. Süddeutsche Zeitung

Fall Mollath beschäftigt Bundestagsausschuss Bayerns Justizministerin Merk muss heute zum Fall Mollath aussagen. Die bizarre Geschichte von Deutschlands bekanntestem Psychiatriepatienten ist bald auch Thema im Bundestag – wegen Zweifel an der bayerischen Justiz. Handelsblat

Die letzte Zeugin heißt Beate Merk Kurz vor ihrem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss muss Justizministerin Beate Merk harsche Kritik einstecken. Sie habe im Fall Mollath eine „unglückliche Figur abgegeben“, sagt FDP-Fraktionschef Thomas Hacker. Ein anderer CSU-Politiker ist vom Ausschuss hingegen wieder ausgeladen worden. Süddeutsche Zeitung

Lasst Mollath frei! Das Landgericht Bayreuth hat entschieden: Gustl Mollath muss mindestens ein weiteres Jahr in der Psychiatrie bleiben. Es ignoriert den fehlerhaften Prozess. taz

„Alles zu pauschal“ Im Fall Mollath spricht erstmals ein Vertreter der Hypo-Vereinsbank. Mollath wirft der Bank vor, mit Schwarzgeld gehandelt zu haben. Ob das stimmt, könne man „weder bestätigen, noch nicht bestätigen“, sagt der Zeuge im Untersuchungsausschuss. Eine Oberstaatsanwältin sorgt hingegen für eine kleine Überraschung. Süddeutsche Zeitung

Der Fall Mollath – Rechtsstaat ade! Ist unser Rechtsstaat in Gefahr? Ein Artikel im Münchner Merkur mit der Überschrift „Mysteriöser Polizeibesuch“ lässt aufhorchen der Freitag

…one more thing!

Südeuropa erwacht aus dem Krisenkoma Die Reformen in den südeuropäischen Krisenländern beginnen zu greifen: Löhne und Produktionskosten sind stark gesunken, die Wettbewerbsfähigkeit steigt. Deutsche Unternehmen entdecken Südeuropa als Beschaffungsmarkt wieder – mancher tauscht sogar bereits chinesische gegen südeuropäische Zulieferer aus. manager magazin

Leitartikel

Menschen an Flusslandschaften Bei allem Stolz über die Bewältigung des Hochwassers kommt es nun darauf an, Naturkatastrophen als europäische Herausforderung zu begreifen und länderübergreifende Prävention zu betreiben. Berliner Zeitung

Warum nicht eine WahlPFLICHT? Nur jeder Zweite will zur Bundestagswahl zu gehen. Die Zahl der Nicht-Wähler steigt. Wie lange darf eine Demokratie da zusehen? BILD

Ultimative Verteidigung Mit seiner Überwachung will der Geheimdienst NSA Dutzende Terroranschläge verhindert haben. Dennoch muss die Obama-Regierung das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Privatsphäre wahren. FAZ

Triumph der Islamisten Bärtige Krawallmacher laufenlassen und nackte Femen-Aktivistinnen einsperren? Tunesien legt Wert auf seinen Ruf als eines der tolerantesten Länder Nordafrikas und hätte gerne wieder mehr Touristen – doch nach den neusten Ereignissen wird das schwierig. Süddeutsche Zeitung

Irans Regime – vereint im Schatten der Atomkrise Bei der Präsidentenentscheidung hat da iranische Volk kaum noch eine Wahl. Ali Khamenei schließt die Reihen, um den Konflikt mit dem Westen wegen der Atombombe ohne Kompromisse durchzustehen. Die Welt

Europe’s reluctant hegemon Germany, now the dominant country in Europe, needs to rethink the way it sees itself and the world. Economist

The Private-Intelligence Boom, by the Numbers The case of Edward Snowden highlights America’s increasing reliance on contractors. Mother Jones

Justice Scalia was right The 4th Amendment does protect our DNA. Washington Post

U.S. justices square the helix on gene patents The Supreme Court ruled that companies can hold exclusive rights to synthetic human genes, but not naturally occurring ones. That allows biotech businesses to reap rewards for their work without stifling the research of others. The decision serves science, industry and the law. Breakingviews

Sympathy for the Luddites What happens when good jobs disappear? It’s a question that’s been asked for centuries. New York Times