Kanzlerkandidatur, NSU-Affäre, Europa-Krise, Romney, Inselstreit, Hassvideo & Google

Merkel – Deutschlands ehrlichste Politikerin Angela Merkel bekennt sich zur Koalition mit der FDP. Ein Bekenntnis, das durchaus überraschend kommt – denn es gibt keinen sachlichen Grund für die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition. Auch Merkel hat keinen – und das sagt sie offen. Frankfurter Rundschau

Mein Herz so verborgen Angela Merkel hat sich der Bundespressekonferenz gestellt. Es war ein Spiel mit Optionen und Koalitionen, bei dem sie sich nicht in die Karten schauen ließ. FAZ

Chefin im Ring Angela Merkel musste bei ihrer Jahres-Pressekonferenz zu keiner Sekunde demonstrieren, wer Chefin im Koalitions-Ring ist. Bonner General-Anzeiger

Eine Kanzlerin wie Kohl Ein Jahr vor der Bundestagswahl tritt Angela Merkel auf wie die Selbstgewissheit in Person – nicht unähnlich der Art, wie Helmut Kohl einst regierte Stuttgarter Zeitung

Sie kann es sich leisten Die Kanzlerin veranstaltet eine schnöde Pressekonferenz, die SPD einen Zukunftskongress. Trotzdem geht Merkel aus dem indirekten Duell als Siegerin hervor. Ob der SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier, Steinbrück oder Gabriel heißt, ist egal. Denn das Kostüm für diese Rolle gibt es nur mit Fesseln. Süddeutsche Zeitung

Das Richtige im Falschen SPD und CDU können prima miteinander, die Deutschen lieben die Große Koalition wie sie alles lieben, was stabil ist. Alles andere ist Spiegelfechterei. Tagesspiegel

Die SPD gibt auf, bevor es losgeht Die Troika der Sozialdemokraten zerbröselt, noch bevor die SPD ein Wahlkampfprofil hat. Der institutionalisierte Stillstand ist bezeichnend für die noch immer von der Agenda 2010 gezeichnete Partei. Die Welt

Warum die Troika der SPD hilft Und ewig währt die K-Frage: Der endlose Dreikampf um die Kanzlerkandidatur in der SPD nervt, aber er nutzt der Partei bei der Selbstfindung ZEIT

Die Grünen recht alt Die Grünen sind in die Jahre gekommen – in der Bundespartei scheint es keinen Nachwuchs zu geben. Auf diesem Weg sind die Grünen dabei, sich abzuschaffen. Frankfurter Rundschau

NSU-Affäre

Merkel kritisiert NSU-Aufklärung Bundeskanzlerin Merkel hat Konsequenzen aus den Fehlern bei den Ermittlungen zur NSU-Mordserie gefordert. Der ehemalige Berliner Innensenator Körting (SPD) legte derweil wegen der V-Mann-Affäre im LKA sein Mandat in der Kommission zur NSU-Aufklärung nieder. FAZ

Henkels beredtes Schweigen Frank Henkel wurde sogar schon als Nachfolger von Klaus Wowereit gehandelt. Nun steht er in der NSU-Affäre unter Beschuss. Sein Amt und seine Würde scheinen zur Disposition zu stehen. Tagesspiegel

Offen über MAD-Auflösung reden Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat eine „effizientere Sicherheitsstruktur“ gefordert. Im Gespräch mit der F.A.Z. anlässlich des an diesem Dienstag beginnenden Deutschen Juristentages sagte sie, „wir müssen weg vom Nebeneinander der Geheimdienste“. FAZ

Europa-Krise

Der Charme Europas ist im Schwinden In Umfragen zur Einstellung zu Europa gibt sich die Bevölkerung überwiegend zufrieden. Über die enormen Baustellen und die tiefen Krisen, in denen die EU steckt, sagt das wenig aus. Von Michael Stürmer Die Welt

Merkels nächster Zug Merkels Bekenntnis, die Krise müsse „im Großen und Ganzen“ von der Politik gelöst werden, trifft die Kritik von Bundesbankpräsident Jens Weidmann auf den Punkt. Börsen-Zeitung

Europa ist Tabu für François Hollande Der Französische Präsident hat seit seiner Wahl wenig über Europa gesprochen. Die Linke ist gespalten, was den Fiskalpakt anbelangt und er weiss, dass die Krise das Misstrauen seitens seiner Wähler Europa gegenüber verstärkt. Doch der Tag wird kommen, an dem er das Volk nach dessen Meinung fragen muss. Le Monde Paris

Explosiv Seine Regierung werde sich keinerlei Diktat unterwerfen, sagt Spaniens Ministerpräsident Rajoy in Richtung EZB. Worte, die von tiefer innenpolitischer Sorge zeugen. Die explosive Mischung aus harten Reformen und zentrifugalen nationalistischen Kräften könnte Rajoys Regierung an ihre Grenzen treiben. FAZ

Exarchia, Platz der Gegensätze Die Hochburg der alternativen Szene im Herzen von Athen, das Viertel rund um den Exarchia-Platz, ist ein Barometer für die griechische Gesellschaft während der Krise. Unweit der besetzten Künstlerhäuser wächst der Drogenhandel und die Gewalt, während die jungen Besserverdienenden vorbeischauen, um etwas vom Flair der Protestbewegungen zu schnuppern. To Vima Athen

Italiens entzauberte Arbeitsmarktreform „Artikel 18“ garantiert italienischen Arbeitnehmern Unkündbarkeit. Daran hat sich auch nach Montis Arbeitsmarktreform wenig geändert. FAZ

Die große Krisengrafik Ob Staatsbankrott, Bankenzusammenbruch oder Hyperinflation: Krisen gehören zum Kapitalismus wie ein Gewitter zum Sommer. Das zeigen unsere Grafiken – mit den Finanzkrisen der vergangenen 200 Jahre. FAZ

Die EZB darf keine Banken kontrollieren Im Streit um die Bankenaufsicht will Deutschland in der EZB einen neuen Aufsichtsrat für diese Aufgabe. Doch dies ändert nichts daran, dass die EZB überhaupt keine Kontrolle über Banken haben sollte. Die Welt

Is Europe’s Financial Crisis Over? With the ECB taking on the characteristics of a lender of last resort, the eurozone’s acute crisis is over for now. But the existential challenge – political agreement on the key elements of banking and fiscal union – is only just beginning, and, unless it is met, the eurozone’s financial disintegration will eventually resume. Project Syndicate

Romney

Was Mitt Romney wirklich über Obama-Wähler denkt Bei einem heimlich gefilmten Auftritt vor Spendern verzichtet Mitt Romney auf Politiker-Floskeln und erklärt: „47 Prozent der Amerikaner sind abhängig vom Staat.“ Er mache sich keine Gedanken um diese Menschen, die ohnehin Obama wählen würden. Romney rechtfertigt die im Internet kursierenden Clips damit, dass er aus „dem Stegreif geredet“ habe. Süddeutsche Zeitung

Romney fällt beim Charaktertest durch Im US-Wahlkampf verhält sich Mitt Romney immer wieder ungeschickt. Seinem Gegner Obama verweigert er nun sogar den nötigen Respekt. Frankfurter Rundschau

„Amerikas Rechte hat die Krise umgedeutet“ Wie kann das sein? Trotz der Krise des Kapitalismus und des bleiernen Erbes der Bush-Jahre dominieren die Konservativen die politische Debatte in den USA. Bestseller-Autor Thomas Frank erklärt die Stärke der US-Republikaner und zeigt auf, warum die Obama-Regierung wichtige Entwicklungen ignorierte. Süddeutsche Zeitung

Mitt’s ‚Clinging to Guns or Religion‘ Moment A secret recording from a fundraiser is very bad news for Romney. The Atlantic

Inselstreit: China vs. Japan

Gefährlicher Poker um ein paar Klippen im Meer China oder Japan liefern sich ein Kräftemessen um eine Gruppe lächerlich kleiner Inseln. Hintergrund ist ein bedenkliches Rennen um Bodenschätze und die Vormacht in der Region. Die Welt

Gefährliche Eskalation Wer hätte das vor kurzem noch gedacht: Aber im Streit um ein paar läppische Inseln im Ostasiatischen Meer haben sowohl Chinas Führung als auch die von Japan verbal dermaßen aufgerüstet, dass wirklich zu befürchten ist: Es gibt für sie kein zurück mehr. Bonner General-Anzeiger

Massives Ablenkungsmanöver China dreht an einer Eskalationsschraube, die mit den Drohungen gegen Japan eine neue Stufe erreicht hat. Es ist das schiere Selbstvertrauen einer Wirtschaftsmacht. Märkische Oderzeitung

China droht Japan mit Wirtschaftskrieg Der Konflikt zwischen Japan und China spitzt sich zu. Die „Volkszeitung“, das Sprachrohr der Kommunistischen Partei, droht: „Wenn Japan seine Provokationen fortsetzt, wird China den Kampf annehmen.“ FAZ

Peking kocht die Suppe hoch China und Japan sind in Territorialfragen gleich hartnäckig. Der durchaus spontane Aufruhr um die Inseln kommt dem chinesischen Regime wohl nicht ganz ungelegen. NZZ

Entflammbarer Nationalismus In China herrscht sowohl „Staatsnationalismus“ als auch „Volksnationalismus“. Deshalb sind die antijapanischen Proteste für die KP eine zweischneidige Sache. taz

Unberechenbares China Die Proteste in China gegen Japan zeigen, wie unberechenbar ein Land ist, in dem es weder Opposition noch Rechtsstaat oder Pluralismus gibt. Nichts wäre falscher, als sich wirtschaftlich von China abhängig zu machen. FAZ

Markets sagely dismiss China’s anti-Tokyo tantrums Smashed cars and shuttered factories haven’t rattled investors. China and Japan have more to lose in trade and investment than to gain from tit-for-tat bickering. Companies big in China like Nissan may suffer, but Japan Inc. has more to fear from Ben Bernanke than from Beijing. Reuters

Hassvideo

Aufstand der Suchenden Botschaften werden gestürmt, ein Diplomat ermordet, Flaggen zerrissen – eine Demütigung für die USA. Doch der Zorn erschließt sich nur bedingt, an vielem trägt Washington keine Schuld. Die Proteste gegen das Mohammed-Video zeigen vielmehr, dass ein demokratischer Naher Osten in ebenso weiter Ferne liegt wie vor dem Arabischen Frühling. Süddeutsche Zeitung

Der Kulturkampf wird abgesagt In einer Welt kalter Systeme kann Liebe zu einem Propheten ein Korrektiv sein – zu politischer Auseinandersetzung taugt sie nicht. Für Muslime in Europa ist es an der Zeit, einen Beitrag zu gesamtgesellschaftlichen Problemen zu leisten. FAZ

Manchen drohte gar eine Hinrichtung Gottes Ehre und die Lust an der Lästerung im Christentum: Der Ruf nach Blasphemieverboten in historischer Perspektive. FAZ

Türkei spielt ihre Rolle aus Der türkische Premier Erdogan verzichtet in der angespannten Situation auf Populismus. Ein geschicktes Manöver. Tagesspiegel

Wild gewordene Männer In Tunesien kämpfen Salafisten gegen die offene Gesellschaft. Lasche Sicherheitsmaßnahmen spielen ihnen in die Hände. taz

Der Mohammed-Film ist eine Provokation, mehr nicht Manch ein Politiker will die Aufführung des Mohammed-Filmes in Deutschland verhindern. Falsch, kommentiert Wenke Husmann, auch wenn der Streifen noch so dümmlich ist. ZEIT

Selbstbewusste Toleranz Angesichts der Empörung in der islamischen Welt sieht es so aus, als müsse der öffentliche Friede wieder besonders verteidigt werden. Doch reicht dafür die Anwendung geltenden Rechts. Hetze gegen den Islam kann und muss unterbunden werden. FAZ

Keine Zensur, sondern Haltung Die Debatte über ein Verbot des islamfeindlichen Videos in Deutschland ruft die Verteidiger der Meinungsfreiheit auf den Plan. Doch viele übersehen, dass sie auch Grenzen hat. Darüber lohnt es sich zu streiten. Handelsblatt

Absurdes Theater Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist nicht verhandelbar Badische Zeitung

Gleiches Recht für alle Aus Angst vor einer Eskalation ist die Bundesregierung bereit, Freiheitsrechte zu beschneiden. Die Debatte um den Mohammed-Film „Unschuld der Muslime“ macht deutlich: In Deutschland wird mit zweierlei Maß gemessen. Tagesspiegel

Warum ein Verbot des Mohammed-Films kaum Chancen hat Eine „geschmacklose Dämlichkeit“ sieht Grünen-Politiker Beck in dem Islam-Schmähfilm „Innocence of Muslims“. Innenminister Friedrich will das Video gar verbieten lassen. Doch ist das juristisch überhaupt möglich? Dürfen Rechtspopulisten den Film öffentlich zeigen? Antworten auf die wichtigsten Fragen. Süddeutsche Zeitung

Actor duped into appearing in ‚Innocence of Muslims‘ explains ‚Innocence of Muslims‘ was described to actors as a movie called ‚Desert Warrior.‘ One actor says the script he saw didn’t mention Muhammad or Islam. When he saw the finished movie, he was horrified. Los Angeles Times

Google

Nehmt Google an die Leine! Die Google-Tochter Youtube kuscht vor der Gema. Aber wenn es um die Stabilität einer ganzen Region geht, hält das Unternehmen wieder die Meinungsfreiheit hoch. Es wird Zeit, dass Google seiner neuen Macht gerecht wird. Frankfurter Rundschau

Zensur löst das Problem nicht Hätte man das umstrittene Mohammed-Video gleich nach Erscheinen gelöscht, wäre der Welt nichts verloren gegangen. Im Nachhinein sendet eine Löschung allerdings ein fatales Signal an gewaltbereite Extremisten. Frankfurter Rundschau

Kein amoralischer Raum Die Debatte um das islamfeindliche Video birgt auch Konsequenzen für die Verantwortung im Internet. Das Schmähwerk hätte nicht so viel Beachtung bekommen, wenn es lediglich auf islamfeindlichen Seiten und rechtsextremen Portalen zu finden gewesen wäre, und nicht bei YouTube, der Tochter des Internetriesen Google.
Bonner General-Anzeiger

Die Schuld der Außerirdischen Google macht Vorschläge zur Vervollständigung von Suchanfragen. Wer dahinter die Absicht übler Nachrede oder Beleidigung sieht, hat das Internet und Google nicht verstanden. Frankfurter Rundschau

…one more thing!

Reiche trotz Finanzkrise immer reicher Die Deutschen werden reicher: Das Nettovermögen der privaten Haushalte hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt – auf 10 Billionen Euro. Doch der Armutsbericht der Bundesregierung zeigt auch, wie ungleichmäßig der Wohlstand verteilt ist. Die reichsten zehn Prozent der Deutschen verfügen über mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens, der unteren Hälfte der Haushalte bleibt gerade mal ein Prozent. Und auch der Staat wird immer ärmer. Süddeutsche Zeitung

Leitartikel

Grandios von Merkel vorgeführt Die Kanzlerin gönnt sich eine verwunderliche präsidiale Unschärfe. Aber wer sollte es Frau Merkel verdenken? Die Opposition zerlegt sich selbst. Wer keinen Druck bekommt, braucht sich nicht festzulegen. Financial Times Deutschland

Kaum zu fassen Die Kanzlerin ist schwer in Verlegenheit zu bringen. Dazu hat die SPD selbst beigetragen. FAZ

Verletzte Gefühle In dem schrillen Kulturkampf um ein anti-islamisches Video sehen wir uns Akteuren gegenüber, die, jeder auf seine Weise, den demokratischen Staat und seine Spielregeln verachten. Dabei können Gläubige allein in einer offenen, liberalen Gesellschaft Platz für ihre religiösen Erfahrungen finden. Frankfurter Rundschau

Die Last der Freiheit Die Debatte um das Schmähvideo über den Propheten Mohammed zwingt uns zu einem unbequemen Fazit: Die Freiheit der Kunst gilt auch für Kitsch und Propaganda. Alles andere führt zu staatlicher oder zu Selbstzensur Die Welt

Verbietet den Film nicht! Es geht um die Meinungsfreiheit in unserem Land. Um die vielleicht wichtigste Grundlage unserer Demokratie. Sie ist ein so hohes Gut, dass sie keinesfalls angetastet werden darf. Oder musste ich als Christ nicht auch einen inkontinenten Papst in einer Satire-Zeitschrift ertragen? BILD

Keine Kunst Über das Islam-Schmähvideo AZ München

Obama not to blame for Middle East anger President’s policies have not ended Islamist rage against US but have made it easier to Financial Times

‚Innocence of Muslims‘ doesn’t meet free-speech test U.S. 1st Amendment rights distinguish between speech that is simply offensive and speech deliberately tailored to put lives and property at immediate risk. Los Angeles Times

The Last Gasp of Islamic Hate Once again the streets of the Arab world are burning with false outrage. But we must hold our heads up high. Ayaan Hirsi Ali on how she survived Muslim rage—and how we can end it. Newsweek

Flash Point A chain of violence from Cairo to Benghazi raises the question, Did the Arab Spring make the Middle East more dangerous? TIME