SPD, Koalitionsvertrag, EU-Gipfel, Japan, China, Berlusconi & Migration

In der Höhle der Löwen Ausgerechnet im traditionell linken SPD-Bezirk Hessen-Süd bekommt Sigmar Gabriel viel Applaus bei seinem Werben für den Koalitionsvertrag. Der Termin dürfte ihm dennoch einiges an Selbstbeherrschung abverlangt haben. Süddeutsche Zeitung

Probier’s mal mit Freundlichkeit Die Stimmung bei den Genossen ist seit dem erfolgreichen Ende der Verhandlungen mit der Union umgeschlagen: Vor dem Mitgliedervotum setzt die SPD-Führung auf Zweckoptimismus, eine Charme-Offensive und die Vernunft der Basis. FAZ

Dem Sieger können sie kaum böse sein Der SPD-Chef wird zum Start seiner Werbetour für Schwarz-Rot von den meisten Genossen gefeiert. Die heftigste Auseinandersetzung hatte er mit ZDF-Moderatorin Slomka. ZEIT

Ausnahmsweise haben es die SPD-Mitglieder mal besser Es ist gut, dass die SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag entscheiden dürfen. Denn egal wie sie stimmen: Dass sie es dürfen, verleiht der Arbeiterpartei eine zeitgemäße Verantwortungsethik. Die zu nutzen, dürfte für die einzelnen Mitglieder jedoch schwer werden. Tagesspiegel

Wer die Mitglieder fragt, schädigt die Demokratie Die Mitgliederbefragung der SPD ist kein Aufbruch in ein neues Zeitalter direkterer Demokratie, wie es Sigmar Gabriel gern verklärt. Eher ist sie Teil eines Prozesses, der die Demokratie entkernt. Die Welt

SPD nimmt politischen Stillstand in Kauf Uns stehen zwei Wochen politischen Stillstands bevor. Die SPD lässt ihre knappe halbe Million Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen, und in dieser Zeit wird das politische Geschäft weitgehend ruhen. Rheinische Post

Zitterpartie Mitgliederentscheid Wann wird Deutschland endlich regiert? Nach dem SPD-Mitgliederentscheid – aber auch nur, wenn das Votum positiv ist. Besichtigung eines Experiments. stern

„Scheitert der Entscheid, muss SPD-Spitze abtreten“ CDU-Vize Juli Klöckner hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Union hätte der SPD zu viele Zugeständnisse gemacht. Ihr Konter: „Wenn die SPD glaubt, wir hätten liefern sollen, hätte sie einen Pizzaservice anrufen müssen.“ Handelsblatt

Falsches Geheimnis SPD-Chef Gabriel weiß, wer von seinen Leuten welches Ministerium bekommen soll. Aber er verrät es nicht. Angeblich aus Rücksicht vor den Genossen. Damit entwertet er den Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag. Wenn schon, dann bitte konsequent. Süddeutsche Zeitung

„Lassen Sie uns den Quatsch beenden“ ZDF-Moderatorin Marietta Slomka befragt SPD-Chef Sigmar Gabriel zum Mitgliederentscheid seiner Partei zur großen Koalition. Aus dem Interview wird ein Duell der Befindlichkeiten. Süddeutsche Zeitung

Koalitionsvertrag

Merkels Sonnendeck, Gabriels Maschinenraum Die SPD hat geschworen: Nie mehr wird sie als Juniorpartner die Drecksarbeit in einer Großen Koalition erledigen. Aber ist es jetzt anders? Die Kanzlerin wird auf dem EU-Ostgipfel umschwärmt. Ihr neuer Partner Gabriel muss in Hessens Provinz bei der Basis für Unterstützung rackern. SPIEGEL

Werkeln am Gesundheitssystem Die Gesundheitspolitiker waren besonders schnell mit ihrer Einigung auf dem langen Weg zum Koalitionsvertrag. Das Fazit: Die Privaten Versicherungen überleben, die gesetzlichen spüren weniger Druck. Das Risiko trägt der Versicherte. FAZ

Als gäbe es kein Morgen Die große Koalition der Rentner-Wähler addiert ihre Wünsche: Und die Jungen müssen zahlen. Diese Rentenpolitik hat keinen Funken von „Generationengerechtigkeit“. FAZ

Die armen Alten verlieren In der Rentenpolitik haben Union und SPD ihre Vorhaben für den Koalitionsvertrag einfach addiert. Die Bekämpfung von Altersarmut war dabei nicht das vorrangige Motiv. ZEIT

Nichts gewusst Unternehmen sollen Leiharbeiter nur noch für maximal eineinhalb Jahre einsetzen dürfen. Händeringend suchen Firmen jetzt nach Lösungen und Tricks. Das könnte sich zu einem Bumerang entwickeln. FAZ

SPD in der Mindestlohn-Falle Der SPD-Mindestlohn könnte ein Rohrkrepierer werden. Schon jetzt ist klar: Es kommt zunächst eine entschärfte Variante der Lohnuntergrenze. 2017 soll sich das zwar ändern, doch in der CDU regt sich bereits Widerstand. Handelsblatt

Kaum einer verdient weniger als 8,50 Welche Auswirkungen der geplante gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde in Baden-Württemberg haben wird, ist offen. Einzelhandel und Gaststättenverband reagieren gelassen – weil der Mindestlohn vor allem für ostdeutsche Angestellte relevant ist. Stuttgarter Zeitung

Ein neues Volk muss her Schämt euch, Wählerinnen und Wähler! Man muss ein Volk von Masochisten sein, wenn man die Privilegierten schont und sich selbst willig schröpft. taz

Doppelte Staatsbürgerschaft? „Die SPD hat ihr Wort gebrochen“ Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, ist tief enttäuscht, dass die Mehrstaatlichkeit nur bei den hier geborenen Kindern von Zuwanderern akzeptiert werden soll. Berliner Zeitung

Sammelsurium Den europäischen Partnern der Bundesrepublik wurde in diesem Jahr viel Geduld abverlangt: Wahlen im gewichtigsten Mitgliedsstaat, beim großen Euro-Zampano – da hieß es Atem anhalten und das Ergebnis abwarten. Bonner General-Anzeiger

Union und SPD verdrängen die Krise Der Koalitionsvertrag macht den Eindruck, als ob die europäische Krise die künftige Regierung nicht besonders interessiere. Statt auf Vorsorge vor den drohenden Belastungen setzen die Koalitionäre auf das Prinzip Hoffnung. Wirtschaftswoche

Wenn die Schwarzen mit den Roten Der Wunschpartner ist verhindert, also raufen sich die Volksparteien zusammen – nicht zum ersten Mal in der Geschichte. Schon Kiesinger und Brandt kämpften mit den Eigenheiten großer Koalitionen. Die Parallelen zu heute sind erstaunlich. Süddeutsche Zeitung

Große Koalition ist großer Mist Ausgerechnet Merkel lässt es zu, dass die deutsche Wirtschaft mit vielen staatlichen Eingriffen geschwächt wird. Immerhin hat sie die SPD ausgetrickst: Die hat in den Koalitionsverhandlungen versagt. stern

So teuer wird die große Koalition Vom Kita-Ausbau bis zur Erhöhung des Rentenzuschusses: Union und SPD lassen sich „prioritäre Maßnahmen“ 23 Milliarden Euro kosten. Die Summe wäre noch viel höher, hätten die künftigen Partner nicht getrickst. Viel gravierender als die Haushaltsbelastungen könnten am Ende aber die Wahlgeschenke werden, die in der Prioritätenliste gar nicht auftauchen. Süddeutsche Zeitung

Die grosse Stagnation Germany’s proposed new government is set to turn the motor of Europe into a slowcoach Economist

EU-Gipfel in Vilnius

EU-Ostgipfel zwischen Machtpoker, Feindbildern und gemeinsamen Werten Die Europäische Union ist international so schwach wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ein zahnloser Tiger, militärisch ohne Bedeutung und ökonomisch mit innereuropäischer Schadenbegrenzung beschäftigt. Sie wird vom Bekenntnis zu gemeinsamen Werten getragen. Sich denen zu nähern, würde auch Russland guttun. Tagesspiegel

Warum die EU den Poker um die Ukraine verliert Der Gipfel zur EU-Ostpartnerschaft gilt vorab als gescheitert: Moskau bindet die Ukraine an sich. Man habe schwere Fehler gemacht, gibt Parlamentspräsident Schulz zu. Hat Putin wirklich gewonnen? Die Welt

Menschenrechte müssen das Maß bleiben Je mehr Demokratie, desto enger die Zusammenarbeit: Trotz Ukraine und Timoschenko darf das EU-Prinzip für die Östliche Partnerschaft nicht aufgeweicht werden. ZEIT

Grenzstreit Japan / China

Fehlt nur, dass ein Heißsporn die Nerven verliert Selbstherrlich hat die Volksrepublik China ihren Luftraum erweitert und damit sämtliche Anrainer verängstigt. Washington zeigt Stärke und stellt sich vor seine Verbündeten. Wird die Lage eskalieren? Die Welt

Unruhe am ostchinesischen Meer Die Inselregion im ostchinesischen Meer hat schon oft für Grenzkonflikte gesorgt. China demonstriert nun sein neues Selbstbewusstsein. Berliner Zeitung

Pekings gefährlicher Traum Der Konflikt um eine kleine Felsformation im Ostchinesischen Meer ist gefährlicher geworden. Im Inselstreit zwischen Japan und China geht es neben Bodenschätzen und historischem Ballast um die Frage, ob der Zwist friedlich geregelt werden kann – oder eskaliert. Pekings Antworten sind beunruhigend. Süddeutsche Zeitung

„Unnötige, gefährliche Hysterie des Westens“ Die öffentliche Meinung in China befürwortet die neue Luftverteidigungszone über den Diaoyu-Inseln: Schuld am Konflikt sei Japan, das die Inseln kaufen und nationalisieren wollte. FAZ

Chinas Staatschef demonstriert Härte Der Streit um unbewohnte Inseln eskaliert: Japans Regierung ignoriert die von Peking verhängte Luftraumüberwachung. In dem Streit geht es um Ölvorkommen im Ostchinesischen Meer – und Chinas neuem Staatschef Xi darum, sich als Hardliner zu präsentieren. SPIEGEL

Die neue Weltmacht China formuliert ihre Ansprüche Auch Japan und Südkorea haben am Donnerstag Militärflugzeuge über dem Ostchinesischen Meer patroullieren lassen, das China zu seiner Sicherheitszone deklariert hat. Für die USA will Vizepräsident Joe Biden in der nächsten Woche in Peking seine Kritik vortragen. China aber besteht auf seinen Ansprüchen. Berliner Zeitung

Könnte das Duell zwischen China und Japan eskalieren? Japan und China duellieren sich um – eigentlich uninteressante – Inseln im Pazifik. Die Zuspitzung erinnert stark an Europa am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Allerdings liegt heute vieles anders. Tagesspiegel

Obamas Machtdemonstration Die Senkaku-Inseln sind der Zankapfel im Ostchinesischen Meer. Die Luftverteidigungszone der Chinesen über diesem Gebiet haben die Amerikaner jetzt demonstrativ durchbrochen – sie ließen zwei B-52-Bomber hindurchfliegen. Eine „Show of Force“, die nicht nur auf den Rivalen China abzielt. SPIEGEL

Creeping China China’s growing geopolitical heft is emboldening its territorial creep in Asia. President Xi Jinping’s promise of national greatness – embodied in the catchphrase “China dream” – is tied as much to achieving regional hegemony as to internal progress. Project Syndicate

Berlusconi

Von Berluscomania noch lange nicht kuriert Den Staat verachten, die Gesetze ignorieren – so funktionierte das System Berlusconi. Steuert Italien nach dem politischen Aus des Ex-Premiers nun auf eine bessere Zukunft zu? Viele bezweifeln das. Denn die Haltung des Cavaliere ist tief bei den Landsleuten verwurzelt. Süddeutsche Zeitung

Raus aus der Schwatzbude Besser spät als nie: Silvio Berlusconis Rauswurf aus dem Parlament ist ein Sieg für den maroden italienischen Rechtsstaat. Aber ist der Cavaliere wirklich abgemeldet? FAZ

Ein Tag, der Geschichte schreibt Nach 20 Jahren, in denen Silvio Berlusconi Italien prägte, hat der Senat den Cavaliere nun endgültig gestoppt. Auch wenn der Medienzar mit einer Rückkehr droht: Der Mittwoch wird in die Geschichtsbücher Italiens eingehen. Kölner Stadt-Anzeiger

Das schwierige Erbe des Cavaliere Am 27. November wurde Silvio Berlusconi nach einer mit Spannung erwarteten Abstimmung aus dem Senat ausgeschlossen. Auch wenn der Cavaliere nun nicht mehr im Parlament sitzen wird und ihm möglicherweise eine Verhaftung droht, so hat er doch seine Epoche und die italienische Gesellschaft tiefgreifend geprägt. La Repubblica Rom

Migration

Auch die größte Mitmenschlichkeit hat Grenzen Gern unterstellen sich die Deutschen Ausländerfeindlichkeit, wenn es um Flüchtlinge geht. Ein seltsamer, ungerechtfertigter Selbsthass. Aber es stimmt: Nicht jede Migration wird als Gewinn empfunden. Die Welt

Auf dem Pulverfass Der Berliner Asylprotest eskaliert: 250 Flüchtlinge und ihre Unterstützer stürmen das Kreuzberger Rathaus, um gegen den Umgang der Stadt mit Heimatlosen zu demonstrieren. Die Politik weiß nicht, wie sie auf das Problem reagieren soll. Süddeutsche Zeitung

Kollision der Welten Die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann wollte das Flüchtlingsproblem in Kreuzberg lösen. Lange galt sie als zupackend und forsch. Ihre Strategie ist allerdings gescheitert. Berliner Zeitung

…one more thing!

Warum die Weltwirtschaft jetzt mehr Absprachen braucht Die Weltwirtschaft braucht eine neue Strategie, um schneller Wachstum zu generieren. Die Erholung von der schweren Rezession verläuft nach wie vor enttäuschend. Und jeder weitere Schnipsel trostloser Wirtschaftsdaten schürt die Angst, dass wir uns noch viel länger mit lausigem Wachstum herumschlagen müssen. Wall Street Journal

Leitartikel

Überlasst die Parteien nicht den Alten Der Koalitionsvertrag steht. Aber wer soll das bezahlen? Viele befürchten: die junge Generation. Das wäre kein Wunder. In den beiden Volksparteien ist sie spärlich vertreten. Ändern können die Jungen das nur selbst, auch wenn’s wehtut. Süddeutsche Zeitung

Auf die Nase Was sind Koalitionsvereinbarungen wert? Wenn am Tag nach ihrer Unterzeichnung schon über Formulierungen gestritten wird, ist das ein schlechtes Zeichen. FAZ

Merkels Hypothek Union und SPD verstoßen gegen jene Rezepte, die sie selbst den Krisenländern empfohlen haben. Griechen, Italiener und Franzosen können aufatmen. Sie werden es nun leichter haben, über die Stränge zu schlagen Die Welt

Lähmender Stillstand Der Koalitionsvertrag beschreibt vor allem die Fortsetzung der Politik von Angela Merkel, allen kleineren Lichtblicken zum Trotz. Ist es wirklich das, was wir wählen wollten? Frankfurter Rundschau

Keine Richtung Hinterm Schleier des Schlafmangels waren sie vielleicht wirklich stolz. Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Horst Seehofer sonnten sich im Glanz der Einigung. AZ München

Hört auf die Wähler! Was ist das für Vertrag, der auf 185 dicht bedruckten Seiten vorschreibt, was vier Jahre lang in dieser Republik passiert? Bild

Zurück auf die Couch, Deutschland! Psychoanalyse half viele Jahre lang, auch Politik zu verstehen. Das sollte sie wieder tun. Dazu müsste sie aber die Einwanderungsgesellschaft entziffern können – und Merkels Muttikratie Tagesspiegel

Unlocking the Middle East Not only was the deal with Iran the best on offer, but it can transform the world’s most troubled region Economist

Outbreak of lawlessness The growing breakdown of political norms. Washington Post

Obamacare’s Secret Success Follow the bending cost curve and you will find that the slowdown in health costs has been dramatic. New York Times

From the Mother Jones Test Kitchen: Ann Romney’s Family Recipes Mitt’s favorite meatloaf cakes might become a Thanksgiving staple. Mother Jones