Regierungsbildung: Bund, Bayern, Hessen. FDP, EU, Flüchtlinge, China & Nobelpreis

Getrickst, getäuscht und geblufft Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün? Deutschland sucht eine neue Regierung. Es geht um Macht, um Posten und um Deutungshoheit. Weil viel auf dem Spiel steht, wird getrickst, getäuscht, geblufft. Denn die Parteien wissen: Jetzt werden auch die entscheidenden strategischen Fehler gemacht. Tagesspiegel

Union nominiert Lammert Ob mit der SPD oder doch lieber mit den Grünen über eine Koalition verhandelt wird, ist noch ungewiss. Erste Personalentscheidungen hat die Union aber schon getroffen: Der CDU-Politiker Norbert Lammert soll wieder Bundestagspräsident werden. Auch wer für die CSU als Lammerts Vize zum Zug kommen soll, ist bereits klar. Süddeutsche Zeitung

Seehofer und Gabriel, schwarz-rote Brüder im Geiste Angela Merkel könnte sich in einer großen Koalition einer ungewöhnlichen Achse gegenübersehen: einem Tandem aus Horst Seehofer und Sigmar Gabriel. Es wäre impulsiv, unberechenbar und im Zweifel populistisch. Rheinische Post

Die SPD und das Schatzamt Die SPD will in einer großen Koalition gerne den Posten des Finanzministers. Das Arbeitsministerium wäre nur ein Trostpreis. FAZ

Wackelt Schäuble wirklich? Union und SPD beteuern, sie würden noch nicht über Posten sprechen. Gleichwohl kreisen die Überlegungen bereits intensiv um den politischen Jackpot des Koalitionspokers: das Finanzministerium. stern

Die SPD sollte nicht den Finanzminister stellen Die SPD ist auf eine Übernahme des Finanzministeriums politisch nicht vorbereitet, weil sie in der Euro-Frage keinen eigenen Ansatz hat. Stattdessen würde sie Teil von Merkels Alternativlosigkeit – und hätte auch noch mit dem Ruf zu kämpfen, zu nachgiebig zu sein. Tagesspiegel

Das große Versagen der deutschen Parteien Die Bundesrepublik driftet wie ein herrenloses Schiff über die politischen Meere in eine Richtung, die sich von der abendländischen Demokratie kontinuierlich entfernt. Wirtschaftswoche

Angela Merkel’s Pyrrhic Victory As far as Germany is concerned, the euro crisis is over – a sentiment reflected in Chancellor Angela Merkel’s overwhelming election victory in September. In fact, the crisis has become a nightmare, inflicting tremendous suffering that could be easily avoided if the taboos that sustain it – mainly Merkel’s – were dispelled. Project Syndicate

Bayern

Harte Zeiten für die Opposition Absolute Mehrheiten – wie die der CSU in Bayern – verlangen starke Oppositionsarbeit. Doch diesmal ist es doppelt so schwer, den schwarzen Block zu knacken. Seehofer hat von Stoiber gelernt, gegen das Volk macht er sicher keine Politik. m Süddeutsche Zeitung

Seehofer-Wahl diesmal ohne Gegenstimmen? 2008 votierten vier Abgeordnete der Koalition gegen Horst Seehofer. Damit die Wahl des Ministerpräsidenten diesmal besser klappt, ist das Kabinett noch geheim. AZ München

Alles bereit für Mission Störenfried Horst Seehofer hat den Rücken frei, der Regierung in Berlin das Leben schwer zu machen. Wichtige Posten in Bayern sind mit Anhängern besetzt, seine Rivalen neutralisiert. ZEIT

Warum Seehofer mit der Maut scheitern wird Horst Seehofer ist unangefochten der starke Mann der CSU, heute wird er im bayerischen Landtag erneut zum Ministerpräsidenten gewählt. Sein Einfluss aber ist nicht so groß, wie es scheint Frankfurter Rundschau

„Der Antrag ist abgelehnt“ Die CSU hat wieder die absolute Mehrheit im Bayerischen Landtag – und obwohl Ministerpräsident Seehofer Bescheidenheit verspricht, bekommt die Opposition gleich am ersten Tag der neuen Legislaturperiode ihre Machtlosigkeit zu spüren. Süddeutsche Zeitung

Hessen

Bouffier: Koalition mit den Grünen „ist möglich“ In Hessen haben sich am Montagabend zum ersten Mal nach der Landtagswahl CDU und Grüne zu einem Sondierungsgespräch getroffen. Der Weg zu einer schwarz-grünen Koalition sei weit, aber möglich, sagt Ministerpräsident Bouffier. FAZ

Frankfurter Farben Können Sie sich Volker Bouffier und Thorsten Schäfer-Gümbel gemeinsam an einem Kabinettstisch vorstellen? Eben. Börsen-Zeitung

CDU und Grüne versuchen die Annäherung CDU und Grüne haben sich in Hessen erstmals zu Sondierungsgesprächen getroffen, kurz bevor es im Bund soweit ist. Der CDU-Landesvorsitzende Volker Bouffier und Grünen-Chef Tarek Al-Wazir sprechen von konstruktiven Gesprächen – und einer guten Atmosphäre. Tagesspiegel

FDP

Die neuen, alten Liberalen Die FDP wirkt realitätsvergessen und großspurig, was viele Wähler befremdet hat. Deshalb wird es eine der ersten Aufgaben Christian Lindners sein, die Partei wieder sympathischer zu machen. FAZ

Die FDP muss raus aus ihrem Getto Die Liberalen brauchen weder neues Personal noch weitere programmatische Absichtserklärungen. Überleben wird ihre Partei nur durch eine Rundumerneuerung inmitten der gesellschaftlichen Realität. Die Welt

Bei der FDP reichen kosmetische Änderungen nicht aus Die FDP war gestern – die Partei liegt falsch, wenn sie glaubt, sie könne so einfach wieder auferstehen. Lebendig dagegen ist der Liberalismus, wenn er nicht in besitzbürgerlicher Erstarrung verharrt. Plädoyer für eine Neugründung des Liberalismus. Tagesspiegel

Euro-Streit in der FDP eskaliert Eigentlich will die FDP heute erste Weichen für einen Neuanfang nach dem Debakel bei der Bundestagswahl stellen. Doch ausgerechnet der Ehrenvorsitzende der Partei hat mit einer Forderung eine heftige Debatte ausgelöst. Handelsblatt

EU

Warum die Energiewende hilft, den Euro zu retten Der Süden Europas verzweifelt daran, das Produktivitätsniveau des Nordens zu erreichen. Deshalb planen die Euro-Retter jetzt perfides: Der Norden soll dem Süden entgegenkommen und seinerseits seine Produktivität abbauen. Handelsblatt

Immer mehr Protestwähler Der Erfolg der Anti-Euro-Parteien in den Mitgliedsländern könnte bei den Europawahlen im Mai 2014 zu einer euroskeptischen Welle führen. Ihre Schlüsselthemen Einwanderung, Sparpolitik und die Ablehnung von Brüssel beherrschen bereits heute die Wahlkampagnen. Le Monde Paris

Italien, Land ohne Zukunft Zwanzig Jahre mussten vergehen, bis Silvio Berlusconi rechtskräftig verurteilt wurde. Es ist nicht das Ende der Misere eines Landes, das zu den schönsten der Welt zählt, sondern die Bestätigung eines politischen und wirtschaftlichen Bankrotts. FAZ

Das Ende der Unantastbarkeit Akis Tsochadzopoulos zählte in Griechenland zu den wichtigsten Politikern der vergangenen Jahrzehnte. Nun hat ein Gericht in Athen den früheren Verteidigungsminister wegen Geldwäsche und Bestechlichkeit verurteilt. FAZ

Warum sich die Ukraine für Europa entscheidet Sieben Wochen vor dem Gipfeltreffen in Vilnius, sieht es so als, als wolle Kiew ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen. Dass ausgerechnet der als pro-russisch geltende Präsident Janukowitsch diese Politik vorantreibt, ist eine Ironie der Geschichte. Veidas Vilnius

Flüchtlinge

Friedrich fordert Syrien-Flüchtlingskonferenz Wie können Flüchtlingsdramen wie vor Lampedusa in Zukunft verhindert werden? Innenminister Friedrich wirft vor dem EU-Treffen mit seinen Ressortkollegen einige Vorschläge in den Raum: Er spricht sich für europäisch-afrikanische Wirtschaftsgespräche und eine Verbesserung der Seenotrettung aus. Süddeutsche Zeitung

Das reichste Land der EU will nicht mehr Anders, als behauptet wird, leistet Deutschland bei der Aufnahme von Flüchtlingen keineswegs, was seiner Größe entspricht. Selbst kleine Länder wie Zypern oder Malta nehmen mehr Menschen in Not auf. Groß ist Deutschland hingegen im Einfordern von Menschen- und Bürgerrechten. Berliner Zeitung

Hier debattieren, dort Leichen bergen Die Innenminister der EU wollen über ihre Migrationspolitik. debattieren. Deutschland will nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen. In Lampedusa steigt die Zahl der Toten. taz

Falsche Debatte Die Betroffenheit ist groß. Was sich vor den Toren der Europäischen Union abspielt, hat wenig mit einer Wertegemeinschaft zu tun, die sich Frieden, Freiheit und Menschenrechte auf die Fahnen geschrieben hat. Dabei ist das, was am vergangenen Freitag geschah, nur die Spitze des Eisbergs. 19 000 Flüchtlinge kamen zwischen 1988 und 2013 vor der italienischen Küste ums Leben. Bonner General-Anzeiger

„Auch ich hätte sterben können“ Nicht alle Flüchtlinge kommen aus eigenem Antrieb nach Europa: Nach dem Schiffsunglück vor Lampedusa erzählt ein Togolese von seiner unfreiwilligen Flucht nach Italien, wie er bei der Überfahrt andere Menschen ertrinken sah – und schließlich von der italienischen Regierung weiter nach Deutschland abgeschoben wurde. Süddeutsche Zeitung

„Wir können nicht ganz Afrika aufnehmen“ Mit heißem Herzen, Gift und Galle diskutieren fünf Gäste bei Frank Plasberg am Montagabend Schuld und Verantwortung nach der Tragödie vom Lampedusa. Oftmals geht es unter die Gürtellinie. Gegen Ende eskaliert die Sendung fast. Rheinische Post

Notfall als Normalzustand Wer als Seemann Flüchtlinge rettet, riskiert eine Anklage wegen Schlepperei. Klingt absurd, doch in Italien ist dies Rechtslage. 2002 sorgten Postfaschisten und Lega Nord für eine Verschärfung der Gesetze – doch auch linke Regierungen änderten nichts. Nun wollen Kritiker das „unmenschliche“ System reformieren. Die Regierung weicht aus und schiebt Brüssel die Schuld zu. Süddeutsche Zeitung

Tausende Tote klagen an 19000 Flüchtlinge kamen seit 1988 vor Italiens Küste ums Leben. Das darf nicht unberührt lassen. Doch die italienische Klage über mangelnde europäische Solidarität geht ins Leere. Augsburger Allgemeine

Asylsuchende landen auf der Straße Das Landesamt für Gesundheit und Soziales hat eine leerstehende Seniorenunterkunft in Gatow beschlagnahmt, weil es zu wenig Plätze für Asylsuchende in Berlin gibt. Berliner Zeitung

In den Klauen der Reporter Eine Produktionsfirma soll für eine Fernsehreportage drei Kameruner zur Flucht nach Europa angestiftet und sogar bezahlt haben. Die stecken jetzt fest. taz

Hinkende Vergleiche mit Asien Boomtown Afrika NZZ

China

China will Führung im Pazifikraum übernehmen Chinas Wirtschaft wächst seit Jahren. Präsident Xi Jinping entwirft eine Vision, die Amerika und Japan in Zukunft nur wenig Raum lässt. FAZ

Kooperation im pazifischen Raum Spannungen und unnötige Rivalität der beiden grössten Mächte im pazifischen Raum, China und USA, müssen abgebaut werden.Dies bedarf beidseitiger Ansätze hin zu einer kooperativen pazifischen Ordnung. NZZ

Der Diplomatie eine Chance geben In den letzten 200 Jahren erlitt China eine Periode der Demütigungen. Heute geht es darum, Frieden und Stabilität zu sichern und den Pazifik in ein wirkliches Friedensmeer zu verwandeln. NZZ

China’s Real and Present Danger Now Is the Time for Washington to Worry Foreign Affairs

For China, U.S. debt ceiling is a paper tiger The biggest holder of U.S. debt is understandably troubled by Washington’s financial straits. Yet absent an actual default, China is relatively insulated from market gyrations. The more trade partners doubt the dollar, the faster it can promote its own currency as a substitute. Breakingviews

China’s Investment Addiction China’s economy slowed unexpectedly in the second quarter of this year, and, just as unexpectedly, most data released since July suggest that China’s growth has stabilized – eliciting a collective sigh of relief in markets worldwide. But investors should still be holding their breaths. Project Syndicate

Nobelpreise

Gütesiegel für den Standort Deutschland Den diesjährigen Nobelpreis für Medizin erhält mit Thomas Südhof auch ein Deutscher. Die Tatsache, dass er in Amerika lebt und arbeitet, sagt nichts über die Qualität der Wissenschaft bei uns aus. Die Welt

Energie im Übermaß Mit Thomas Südhof hat erneut ein Deutscher, der nicht in Deutschland forscht, den Nobelpreis gewonnen. Die Max-Planck-Gesellschaft konnte oder wollte den Wissenschaflter nicht dauerhaft in ihren Reihen halten. Dass er in die USA ging, hat er nie bereut. Süddeutsche Zeitung

Augenwischerei Das groteske Gezerre um die Staatsangehörigkeit des Nobelpreisträgers Thomas Südhof spricht Bände – über den armseligen Zustand der deutschen Forschungslandschaft. Nordwest Zeitung

Gegen das Chaos in den Zellen Ohne ein organisiertes Transportsystem schlittern die Zellen des Körpers in die Katastrophe: Die Medizin-Nobelpreisträger Thomas Südhof, James Rothman und Randy Schekman zeigten, wie dieses System kontrolliert wird. FAZ

Post von der Zelle Wenn Körperzellen eine Botschaft für ihresgleichen haben, packen sie ein Paket mit Molekülen drin. Die drei Physiologie-Nobelpreisträger haben diesen Postweg aufgedeckt. ZEIT

…one more thing!

Könige im Reich der Pfennigfuchser Die Frage, wie man denn mit Dosengulasch für 1,29 Mark so reich werden kann, hat man sich vielleicht in den 70er-Jahren noch gestellt, als man in den Supermarkt-Pappkartons herumstocherte. Aber mittlerweile dürfte auch dem letzten klar sein, dass man mit der Sparsamkeit der anderen zum Milliardär werden kann. WAZ

Leitartikel

Merkels Mission Die vergangene Legislaturperiode stand im Zeichen des Krisenmanagements. In der neuen muss die Bundeskanzlerin Deutschlands Stellung in der Welt neu ausrichten und seiner Bedeutung gemäß positionieren Die Welt

Friedrichs Flüchtlings-Märchen Den Schleusern müsse das Handwerk gelegt werden, sagt Innenminister Friedrich nach der Katastrophe von Lampedusa. Als ginge es nicht in Wahrheit um die Ursachen der Flucht. Frankfurter Rundschau

Was Afrika wirklich hilft Die Bilder aus Lampedusa zerreißen uns das Herz! Männer, Frauen, Kinder – aufgebahrt an jener Küste, die ihre Hoffnung war. BILD

Vorteil Assad US-Außenminister Kerry lobt Syrien für seine Kooperation in der Chemiewaffen-Frage. Durch diese Kooperation fühlen sich jene Rebellen verraten, die Präsident Assad stürzen könnten. Das könnte dem Diktator helfen, viel länger an der Macht zu bleiben, als den USA lieb ist. Süddeutsche Zeitung

Gut gemeint, aber hoffnungslos naiv Die Bundeswehr zieht aus Afghanistan ab. Das ehrgeizige Projekt, dort ein demokratisches Gemeinwesen aufzubauen, ist gescheitert. Die Motive für das Engagement waren lauter, vor Blauäugigkeit haben sie nicht geschützt. Tagesspiegel

Exportierte Forscher Ein Deutscher hat mit anderen den Medizin-Nobelpreis bekommen. Die meiste Zeit seines Lebens hat er in Amerika geforscht. Das deutsche Lehr- und Forschungssystem ist unterfinanziert. FAZ

America cannot live so carelessly forever Playing Russian roulette is never advisable. Congress may find a bullet in the chamber this time Financial Times

Obamacare’s next round For all the acrimony in Washington over Obamacare, there’s an intriguing consensus around one issue: the ratchet effect. Neither side uses the term, but both the right and left… Los Angeles Times

Statecraft and Stagecraft A deal with Iran will be difficult — but at least we know what it will contain TIME

The Phantom Menace Iran’s nuclear capabilities may be graetly exaggerated Newsweek