Wahlkampf, Norwegen, Moskau, Syrien & Spähaffäre

Umringt von forschen Wählern Die ARD zeigt der Konkurrenz, wie eine richtig gute Sendung zur Bundestagswahl geht: ohne Firlefanz, aber mit 150 klug nachfragenden Wählern, die Kanzlerin Merkel in Bedrängnis bringen. Beim Thema Leiharbeit, vor allem bei der Homo-Ehe. Für Steinbrück tut sich womöglich eine große Chance auf. Süddeutsche Zeitung

Wie viel braucht man zum Leben? Kaum ein Thema bewegt die Deutschen so sehr wie die Arbeit und das Geld. „Wer arbeitet, muss davon leben können“, sagen die Politiker. Und was bedeutet das konkret? Die „Wahlarena“ mit Kanzlerin Merkel und Plasbergs „Hart aber fair“ suchten Antworten. FAZ

Ein Heimspiel für Mutti Merkel Sie gab 75 Minuten die brave Politikberaterin. Angela Merkel kam unbeschadet durch die ARD-Sendung „Wahlarena“ und tat das, was sie am besten kann: ihre Politik gelassen und selbstbewusst erklären. stern

Merkel steuert schon lange nicht mehr selbst Kanzlerin Merkel hat sich in der Wahlarena den Fragen einiger Bürger gestellt. Es ging um Leiharbeit, Gleichstellung und ums Autofahren. Eine nette Plauderstunde – denn richtig konkret wurde Merkel nur bei einer Frage. Handelsblatt

Merkel schadet dem nationalen Interesse Provinzielle Selbstzufriedenheit regiert: Angela Merkel hat europäische Interessen ignoriert und damit Deutschland geschadet. ZEIT

Die Zweitstimme des Altkanzlers Die letzten Tage des Wahlkampfs: Die Kampagne, die keine ist, läuft schon auf Hochtouren. Und Rainer Brüderle besucht Helmut Kohl. FAZ

Warum die Grünen eine riesige Chance verpasst haben Kurz vor der Wahl sinken die Umfragewerte der Grünen plötzlich ab. Hätten sie das mit der Gerechtigkeit besser bleiben lassen und stattdessen über nichts als die Energiewende reden sollen? Nein. Die Partei hätte sich bei dem Thema profilieren können – und sogar noch von der SPD distanzieren. Sie ist es nur falsch angegangen. Süddeutsche Zeitung

Das rot-grüne Versagen ist hausgemacht Vor einem Jahr waren SPD und Grüne angetreten, gemeinsam die schwarz-gelbe Bundesregierung abzulösen. Doch schon 14 Tage vor der Wahl muss das Vorhaben als gescheitert gelten. Die beiden Parteien sind selber schuld. Tagesspiegel

Mit Hurra in die Opposition Rot-Rot-Grün? Auch die Linke scheint nicht mehr daran zu glauben und kappt alle Verbindungen zur SPD. 13 Tage vor der Bundestagswahl feiert sie sich lieber als Oppositionspartei – und tritt dabei alles andere als bescheiden auf. Süddeutsche Zeitung

Wahlziel zehn Prozent Berlin Allen Absagen von SPD und Grünen zum Trotz hofft die Linke weiter auf Rot-Rot-Grün. In der Sache bleibt sie auf ihrem Parteikonvent aber hart und stellt Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung. Lausitzer Rundschau

„Wir sind gesprächsbereit“ Der Linken-Fraktionschef will die Hoffnung noch nicht aufgeben. Gregor Gysi über die Leidensfähigkeit und die Qual der SPD. taz

„Aus welcher Grotte kommen Sie denn?“ Establishment trifft Establishment: Der Auftritt der Spitzenkandidaten bei Berliner Wirtschaftsvertretern gerät arg launig. Berliner Zeitung

„Europa ist mit dem Euro einen Schritt zu weit gegangen“ InterviewAfD-Sprecher Bernd Lucke möchte die Währungsunion auflösen und die Krisenstaaten in die Insolvenz schicken. An der europäischen Integration aber wolle er festhalten. „Alles, was in Europa sinnvoll ist, bleibt.“ Wirtschaftswoche

Parteispenden haben nichts Ehrenrühriges Wer will, dass die Parteien auch weiterhin die Hauptfiguren in der politischen Willensbildung des Landes bleiben, muss ein Interesse haben, die Spendenhygiene zu erhöhen. Die Welt

Die große Schaase Am nächsten Sonntag wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Wir wissen schon die Antwort auf die politischste aller Fragen – wer was wird. Und wenn es doch nicht so kommt, gilt die bayerische Grundmaxime: Ja mei! FAZ

Norwegen

Stoltenberg verliert die Wahl Das war’s wohl für Jens Stoltenberg. Die Koalition von Norwegens beliebtem Ministerpräsidenten verliert die Parlamentswahl. Vor den Konservativen stehen schwierige Verhandlungen – auch mit den Rechtspopulisten. Berliner Zeitung

Konservative erlangt Mehrheit Die Koalition von Ministerpräsident Stoltenberg verliert die Parlamentswahl. Vor den Konservativen stehen schwierige Verhandlungen – auch mit Rechtspopulisten. taz

Rohstoffe, Reichtum – Regierungswechsel? Norwegen wählt ein neues Parlament. Ministerpräsident Jens Stoltenberg steht vor der Abwahl – obwohl er bei den Bürgern beliebt ist. Derweil erlangt das Land immer größeren Wohlstand. Genau das sorgt für Probleme. Wirtschaftswoche

Mein Land hat nicht mehr die gleiche DNA Je mehr der Wohlstand dank der Erdöleinkünfte wuchs, desto weiter entfernten sich die Norweger von Solidarität und Gleichheit, kehrten sich zunehmend dem Liberalismus zu, und zogen sich immer mehr auf sich selbst zurück. Die Parlamentswahl am 9. September dürfte diese Entwicklung widerspiegeln. Aftenposten Oslo

Moskau

Kleiner Schritt zu mehr Demokratie Russlands Präsident Wladimir Putin kann sich eine föderale Struktur einfach nicht vorstellen. Doch die Bürgermeister-Wahl in Moskau und der Achtungserfolg von Nawalny zeigt: Es gibt immer mehr vor allem jüngere Menschen, die ein anderes Russland wollen. Frankfurter Rundschau

Ein Erfolg für Nawalny und die Bürgergesellschaft Das überraschend gute Abschneiden des Oppositionellen Alexej Nawalny bei Moskaus Bürgermeisterwahl zeigt: Das Demokratiebewusstsein der Russen erstarkt. Die Machtelite kann sich dem nicht entziehen. Die Welt

Nach der Wahl in Moskau Die Bürgermeisterwahl in Moskau war eine der ehrlichsten Abstimmungen in Russland seit langem. Ob sie Bedeutung für die Zukunft hat, wird die Reaktion im Kreml und der Opposition zeigen. FAZ

Opposition in Putins Moskau Putins Mann in Moskau büßt bei der Bürgermeisterwahl deutlich an Stimmen ein. Die Macht des Präsidenten ist deswegen nicht erschüttert. Berliner Zeitung

Gelbe Karte für Putin Die russische Opposition erreicht bei der Bürgermeisterwahl in Moskau einen Achtungserfolg. Badische Zeitung

Syrien

Wie die Russen die USA in Zugzwang bringen Diplomatische Volte aus Moskau: US-Außenminister Kerry sagt, dass Syriens Machthaber Assad einem Militärschlag womöglich noch entgehen kann – später relativiert er seine Aussage. Doch Russlands Außenminister Lawrow nimmt seinen US-Kollegen beim Wort und überrascht mit einer neuen Friedensinitiative. Süddeutsche Zeitung

Obama erwägt Verzicht auf Militärschläge Gleich sechs Fernsehsendern gewährte Präsident Obama Interviews, um Amerika und den Kongress von der Notwendigkeit einer Intervention in Syrien zu überzeugen. Neue Beweise gegen das Assad-Regime blieb er schuldig. Vielmehr weckt er Hoffnungen auf einen diplomatischen Durchbruch, der Militärschläge überflüssig machen könnte. FAZ

Diplomatie auf den letzten Drücker Erst bauen die Amerikaner Assad eine goldene Brücke, dann meldet sich überraschend auch die russische Seite zu Wort und fordert Damaskus auf, die Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen. Nun ist es an der syrischen Führung, den Worten Taten folgen zu lassen. Berliner Zeitung

Neue Chance für Diplomatie Russland nimmt also US-Außenminister Kerry beim Wort und drängt Syrien, sämtliche Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen. Mit der überraschenden Volte hat Moskau Obamas Pläne radikal durchkreuzt und der Diplomatie eine neue Chance gegeben WAZ

Die Wende? Es wäre die segensreiche Wende in einem ansonsten unaufhaltsam auf die Eskalation zulaufenden Konflikt: Russland, bislang Assads hartleibigster Gewährsträger, nimmt US-Außenminister John Kerry beim anscheinend unabsichtlich gesprochenen Wort und drängt das syrische Regime, sämtliche Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und – Achtung! – später zu vernichten. Bonner General-Anzeiger

Obama ist nicht George W. Bush Das beharrliche Vorgehen der USA gegenüber Syriens Machthaber Assad hat Russland dazu bewegt, einzulenken. Das lässt hoffen. Allerdings werden die Kritiker Obamas und dessen angedrohter Strafaktion auch diesmal wieder nur sein Vorgehen madig machen. Frankfurter Rundschau

Kein Krieg ohne breite Koalition Wer Giftgas einsetzt, muss bestraft werden. Doch weil über die UN eine Syrien-Intervention nicht möglich ist, braucht Obama besonders starke Argumente. ZEIT

Wir müssen handeln und Assad eine Lektion erteilen John Kerry war als junger Soldat in Vietnam und kritisierte diesen Krieg. Auch den Irak-Einsatz hält der US-Außenminister im Rückblick für falsch. Eine Strafaktion gegen Syrien aber sei das Richtige. Die Welt

Warten auf Bomben Nicht nur die Welt, vor allem die Menschen in Syrien warten auf den angekündigten US-Militärschlag – die einen mit Wut und Sorge, die anderen mit Ungeduld oder sogar Zuversicht. Im Gespräch mit SZ.de beschreiben sie ihren Alltag. Süddeutsche Zeitung

A Taboo Worth Protecting Chemical Weapons Are Indiscriminate — And That’s Why They Should be Outlawed Foreign Affairs

Why Chemical Weapons Are Different Blistering skin, eye damage, and excruciating deaths were just some of the reasons nations decided to ban these substances after World War I. The Atlantic

Syria and September 11 By chance, it appears that the US Congress will decide on or about September 11 whether to endorse President Barack Obama’s proposal to respond militarily to the Syrian government’s use of poison gas against civilians. The shadow of two previous events that took place on September 11 looms over the outcome. Project Syndicate

Obama’s accidental diplomacy POLITICO

Unbelievably Kerry POLITICO

Spähaffäre

Die NSA kann alles – und der Aufschrei bleibt aus Die jüngsten Enthüllungen über die NSA führen in den USA nicht zu einem Aufschrei der Empörten. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Eine ist sicherlich das Gefühl der Verletzlichkeit nach 9/11. Die Welt

Halten sich die Geheimdienste für Gott? Im Verborgenen waltet eine Elite von digitalen Allessehern, die bloß vorgibt, unser Bestes zu wollen. Weder Politiker noch Gerichte können sie kontrollieren. Die Demokratie wird zur Benutzeroberfläche. FAZ

Fotosafari in Diensten des Verfassungschutzes Das US-Konsulat in Frankfurt am Main gilt als Horchposten der NSA. Was hat es also zu bedeuten, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz Luftbilder des Gebäudes aufnehmen lässt? Süddeutsche Zeitung

Bundesregierung hält Behördentelefone für abhörsicher Nach weiteren Berichten unter Berufung auf den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter Snowden hat die Bundesregierung bekräftigt, dass sie ihre Mobiltelefone für abhörsicher hält. Gleichwohl wurde jüngst ein neues Sicherheitshandy zertifiziert. FAZ

Aus dem Tollhaus Ein deutscher Journalist des Norddeutschen Rundfunks, der sich auf die investigative Islamismus-Terrorrecherche vor allem in arabischen Staaten spezialisiert hatte, wird zum Verdächtigen. Nur ein bedauerlicher Einzelfall? Bonner General-Anzeiger

Die Schweiz als Datentresor Alle reden von unsicheren Daten im Ausland. Sind Daten in der Schweiz sicher? NZZ

Staat im Selbstzerstörungsmodus Das Immunsystem des demokratischen Rechtsstaates versagt. Die umfassende Überwachung verhindert eine Kontrolle durch die Gesellschaft. taz

The Mouse Click that Roared Given the global nature of the Internet, the growing threat of cyber attacks complicates long-held assumptions about national security. While unilateral measures are essential to deter cyber crime, the insecurity generated by non-state actors will likely require greater intergovernmental cooperation. Project Syndicate

….one more thing!

Die WTO am Scheideweg Die Vorbereitungen der Welthandelsorganisation (WTO) für eine erfolgreiche Bali-Konferenz laufen auf Hochtouren. Ohne Konzessionen im Agrarsektor droht ein Rückschlag. NZZ

Leitartikel

Die klare Linie hinter Merkels „Erst die EU“-Kurs Die Kanzlerin ließ sich Zeit: Erst nach einem Votum der EU-Außenminister stellte sich auch Merkel an die Seite von Obama und stimmte einer Erklärung zu, die eine „starke internationale Antwort“ auf den Giftgaseinsatz in Syrien fordert. Ein Beispiel ihres Zauderns? Nein, in diesem Fall kann ihr niemand vorwerfen, zu lavieren oder keiner Linie zu folgen. Süddeutsche Zeitung

Kehrtwende oder Bluff? Syrien hat Bereitschaft signalisiert, sein Chemiewaffenarsenal unter internationale Kontrolle zu stellen. Amerika wird mit dem Risiko rechnen, dass Assad nur einen Bluff versucht. Doch politisch hat die Sache einen gewissen Charme – für Obama, Putin und den Westen. FAZ

In der Falle! Ist das die Rettung vor neuen Giftgranaten? Oder ist es nur ein übles Ränkespiel? BILD

Der journalistische Reflex Kaum einer wird so hart von den Medien angegangen wie Peer Steinbrück. Und keiner hat sich so oft darüber beklagt wie der Kanzlerkandidat. Dabei sind sich Journalisten und er im Denken ähnlicher als man annimmt. Tagesspiegel

Polen denkt an sich Kaum ein Land hat sich so nach Europa gesehnt wie Polen. Doch jetzt wird eine Tendenz zur Renationalisierung spürbar. Was Verteidigung, Energie und Euro angeht, setzen die Polen auf Souveränität statt auf Solidarität. Die Welt

Es sind ja nur die Grundrechte Was hätte sich für ein Wahlkampf führen lassen über die Vernichtung des Rechtsstaats durch Totalüberwachung. Stattdessen regt sich halb Deutschland auf über fleischloses Kantinenessen. Frankfurter Rundschau

Germany focuses on small beer German political debate is peculiarly parochial considering it is the leading power in Europe Financial Times

The road to Damascus Obama needs to weigh Syria’s offer on its chemical weapons, even as he presents evidence of Assad’s wrongdoing. Los Angeles Times

The World According to Vladimir Putin Moscow is taking an ever more controversial stand with the U.S. Why Russia’s leader dreams of imperial rebirth TIME